Das ist die erste bekannt gewordene Entscheidung eines Obergerichts, das sich für die sofortige Anwendung der den PKH-Anwalt betreffenden Neufassung des § 55 Abs. 5 RVG ausspricht. Demgegenüber hat das Hess.LAG RVGreport 2009, 305 (Hansens) in seinem vor dem Inkrafttreten der §§ 15a, 55 Abs. 5 RVG ergangenen Beschluss v. 7.7.2009 in nur einem Satz die Auffassung vertreten, für die Neuregelung sei auf die allgemeine Übergangsregelung des § 60 Abs. 1 RVG abzustellen. Für die Anwendung des § 15a Abs. 2 RVG im Kostenfestsetzungsverfahren ist es ebenso umstritten, ob die Neuregelung sofort am 5.8.2009 anzuwenden ist, so OLG Stuttgart RVGreport 2009, 349 (Hansens), OLG Dresden RVGreport 2009, 352 (Hansens) und LG Berlin RVGreport 2009, 350 (N. Schneider) oder ob ferner noch die Übergangsvorschrift des § 60 RVG anzuwenden ist, so OLG Hamm RVGreport 2009, 352 (Hansens) und OLG Düsseldorf RVGreport 2009, 353 (Hansens).

Die Auffassung, die sich für die sofortige Anwendung der Neuregelung in § 15a Abs. 2 und § 55 Abs. 5 RVG ausspricht, kann sich auf den Wortlaut des § 60 Abs. 1 RVG berufen, der auf die Berechnung der Vergütung im Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber abstellt. Demgegenüber geht es in § 15a Abs. 2 RVG darum, unter welchen Voraussetzungen sich ein Dritter beispielsweise im Kostenfestsetzungsverfahren auf die Gebührenanrechnung berufen kann und in § 55 Abs. 5 RVG, welche Angaben der PKH-Anwalt in seinem Festsetzungsantrag gegenüber der Staatskasse zu machen hat (so auch Hansens, RVGreport 2009, 241, 246; AnwBl. 2009, 535, 539 und zfs 2009, 430).

Während im Kostenfestsetzungsverfahren nach der ZPO eine Entscheidung des BGH zur Anwendbarkeit des § 15a Abs. 2 RVG im Rahmen der Rechtsbeschwerde möglich ist – das OLG Stuttgart und das LG Berlin, a.a.O. haben jeweils die Rechtsbeschwerde zugelassen –, kommt in Verfahren betreffend die Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung eine Entscheidung des BGH oder eines anderen Obersten Bundesgerichtes nicht in Betracht (s. § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 S. 3 RVG).

Folgt man der Auffassung des OVG NRW hier, kann jeder PKH-Anwalt, der die teilweise Absetzung einer ihm nicht gezahlten Geschäftsgebühr durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle hinnehmen musste, mit der unbefristeten (!) Erinnerung (in § 56 Abs. 2 S. 1 RVG wird nicht auf die somit nur für die Beschwerde geltende Beschwerdefrist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG verwiesen) geltend machen, die Geschäftsgebühr sei nach der Neufassung des § 55 Abs. 5 S. 2 u. 3 RVG nicht anzurechnen, weil er sie tatsächlich nicht erhalten habe. Dann können die PKH-Anwälte "den Spies umdrehen". Mancherorts hatte nämlich der eine oder andere Bezirksrevisor gegen längst abgeschlossene Festsetzungen Erinnerung mit der Begründung eingelegt, nach Auffassung des BGH entstehe die Verfahrensgebühr wegen der in Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG angeordneten Anrechnung von Anfang an nur in gekürzter Höhe. Dies kann nunmehr unter Hinweis auf die Entscheidung des NRW wieder rückgängig gemacht werden, da gegen die auf die Erinnerung des Bezirksrevisors ergangene Abhilfeentscheidung wiederum die – unbefristete – Erinnerung des PKH-Anwalts gegeben ist.

Heinz Hansens

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