VVG § 215; ZPO § 21
Leitsatz
1. § 215 VVG n.F. ist bei Altverträgen für Versicherungsfälle bis 31.12.2008 nicht anwendbar. Die Übergangsvorschrift des Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG erfasst auch diese – prozessuale – Frage.
2. Eine Betriebsstelle (Niederlassung) eines Versicherers erfüllt nur dann die Voraussetzungen von § 21 ZPO, sodass der Versicherungsnehmer am Ort der Betriebsstelle Klage erheben kann, wenn dort eigenständig Versicherungsverträge geschlossen werden oder der Versicherer einen entsprechenden Rechtsschein gesetzt hat.
OLG Hamm, Urt. v. 20.5.2009 – 20 U 110/09
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „… II. 1. Das LG Dortmund hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Der Gerichtsstand des LG D ist nicht begründet worden.
a) Anzuwenden ist das VVG a.F., gem. Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG.
Die Frage, ob § 215 VVG neue Fassung (n.F.) bei Versicherungsverhältnissen, die – wie das hier vorliegende – bis zum Inkrafttreten des neuen Versicherungsvertragsgesetzes am 1.1.2008 entstanden sind (sog. Altverträge), bereits von diesem Zeitpunkt an, Anwendung findet oder gem. Art. 1 Abs. 1 EGVVG erst ab 1.1.2009 oder gem. Art. 1 Abs. 2 EGVVG überhaupt nicht, ist in der Rspr. allerdings umstritten.
Nach einer Meinung (OLG Saarbrücken, VersR 2008, 1337) soll sich die Übergangsvorschrift des Art. 1 Abs. 1 EGVVG lediglich auf materielles Versicherungsvertragsrecht beziehen, sodass für die als rein prozessual verstandene Gerichtsstandregelung des § 215 VVG n.F. die Regelung über das Inkrafttreten in Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts maßgeblich sein soll. Demgegenüber wird nach herrschender Ansicht (vgl. u.a. OLG Stuttgart, VersR 2009, 246) auch die Gerichtsstandregelung des § 215 VVG n.F. von der Übergangsvorschrift des Art. 1 EGVVG erfasst.
Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung. Aus Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 EGVVG ergibt sich, wie von den zuletzt zitierten Entscheidungen ausgeführt, dass auf das streitgegenständliche Vertragsverhältnis das VVG in seiner früheren Fassung anzuwenden ist. Abweichende Anhaltspunkte, dass diesbezüglich für die prozessuale Bestimmung des § 215 VVG n.F. etwas anderes gelten könnte, sieht der Senat nicht. Eine Geltungsbeschränkung allein auf vertragsrechtliche Regelungen ist im Gesetz nicht vorgenommen worden.
b) Der Gerichtsstand der Agentur gem. § 48 Abs. 1 VVG a.F. begründet nicht die örtliche Zuständigkeit des LG D.
Nach dieser Vorschrift ist für Klagen, die aus dem Versicherungsverhältnis gegen den Versicherer erhoben werden, das Gericht des Ortes zuständig, wo der Agent zur Zeit der Vermittlung oder Schließung des Vertrages seine gewerbliche Niederlassung oder seinen Wohnsitz hatte. Voraussetzung ist, dass ein Versicherungsagent den betreffenden Versicherungsvertrag vermittelt oder abgeschlossen hat.
Der Kläger trägt selbst vor, den ursprünglichen Versicherungsvertrag bei der damaligen Vereinte X AG “über einen Makler in D’ geschlossen zu haben.
c) Der besondere Gerichtsstand der Niederlassung i.S.v. § 21 ZPO begründet ebenso wenig die örtliche Zuständigkeit des LG D.
Hat nach dieser Vorschrift jemand zum Betrieb eines Gewerbes eine Niederlassung, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden, so können gegen ihn alle Klagen, die auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung Bezug haben, bei dem Gericht des Ortes erhoben werden, wo die Niederlassung sich befindet.
Voraussetzung ist also, dass die Niederlassung der Beklagten in D eine im Wesentlichen selbständige Leitung mit dem Recht haben muss, aus eigener Entschließung Geschäfte abzuschließen. Es reicht nicht aus, dass die Leitung nur nach solchen Weisungen handeln darf, die sie von der Hauptstelle erhält. Ebenso wenig liegt Selbstständigkeit vor, wenn der Abschluss von Geschäften nur gelegentlich und ausnahmsweise geschieht oder die Nebenstelle nur untergeordnete, dem Geschäftsbetrieb dienende Geschäfte selbst abschließt (z.B. Bestellung von Reparaturen, Einstellung oder Entlassung von Arbeitern). Nicht ausreichend ist es auch, wenn die Niederlassung zwar Geschäfte abwickelt, die selbst den Gegenstand des Betriebes bilden, aber ohne jede Selbstständigkeit der Entschließung, lediglich im Rahmen der von der Hauptstelle ausgehenden Geschäftsführung (vgl. zum Ganzen BGH NJW 1987, 3082 … ).
Die aufgezeigten Voraussetzungen hat der Kläger darzulegen und zu beweisen, denn er hat die für die Begründung der Zuständigkeit maßgeblichen Tatsachen zu beweisen, sofern die Beklagte – wie hier – diese bestreitet (vgl. RGZ 29, 373; RGZ 49, 72; KG NJW-RR 2001, 1509 ff. … ).
Dieser Beweis ist nicht geführt. Der Kläger hat in seiner Berufungsbegründung selbst eingeräumt, dass er nicht wisse, ob der Niederlassung der Beklagten in D das Recht zustehe, auf eigene Entscheidung Geschäfte abzuschließen.
Nun muss allerdings die Voraussetzung, dass die Niederlassung i.S.v. § 21 ZPO die Selbstständigkeit besitzt, aus eigener Entschließung Geschäfte abzuschließen, nicht zwingend objektiv gegeben sein. Es kann genügen, wenn das “Stammhaus’ im Rechtsverkehr...