RVG § 15; VV RVG Nr. 2300; BGB § 249 § 286; PflichtVG § 3 Nr. 1
1. Die Einholung der Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung des Auftragebers stellt eine besondere Angelegenheit dar, für die eine 0,5 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG anfällt.
2. Der Gegenstandswert für diese Geschäftsgebühr bemisst sich nach dem Prozesskostenrisiko aus der Sicht der Partei, die beabsichtigt zu klagen, mithin nach der Höhe der im Rechtsstreit entstehenden Kosten.
3. Die Anwaltskosten für die Einholung der Deckungszusage sind adäquat kausal bedingt durch das Unfallgeschehen und können von dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung erstattet verlangt werden, wenn diese zum Zeitpunkt der Deckungsanfrage die Regulierung des Unfallschadens abgelehnt hat.
(Leitsätze des Bearbeiters)
AG Hersbruck, Urt. v. 26.11.2009 – 2 C 474/09
Aus den Gründen:
“… Darüber hinaus sind weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten durch die Führung der Korrespondenz mit dem Rechtschutzversicherer der Klägerin erstattungsfähig.
Diese Tätigkeit ist eine eigene anwaltliche Tätigkeit und ist nicht mit der Tätigkeit gegenüber den Haftpflichtansprüchen gegen einen gegnerischen Haftpflichtversicherer mit abgegolten.
Der Anfall dieser Gebühren ist auch adäquat kausal bedingt durch das Unfallgeschehen. Wäre es nicht zum Unfall gekommen, hätte die Klägerin keinen Rechtsanwalt einschalten müssen und wäre die Einholung der Deckungszusage nicht notwendig geworden.
Die Kosten der Deckungszusage sind zurechenbare Folge des Unfalls und nicht außerhalb jeglicher Lebenswahrscheinlichkeit, sodass sich eine Erstattungsfähigkeit im Rahmen von § 249 BGB i.S.d. dafür ‘erforderlichen Geldbetrages’ ergibt. In Anlehnung an die BGH-Rspr. zur Ersatzfähigkeit von Rechtsanwaltskosten für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die private Unfallversicherung (BGB vom 10.1.2006, VI ZR 43/05) hat der Schädiger zwar grundsätzlich nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen. Er hat jedoch die Kosten zu ersetzen, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Teil der Schadensabwicklung ist bei einem Unfallereignis auch, den Schadensfall dem eigenen Versicherer, hier Rechtschutzversicherer, zu melden. Im Übrigen hat sich die Zurechenbarkeit von Unfallfolgen und damit auch dadurch adäquat verursachter Kosten am Interesse des Geschädigten an einer vollständigen Restitution zu orientieren. Ist es aus Sicht des Geschädigten erforderlich, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, so gilt dies grundsätzlich daher auch für die Anmeldung des Versicherungsfalls beim eigenen Versicherer. Die Kosten des Rechtsanwalts für Einholung der Deckungszusage stellen sich als Kosten der Rechtsverfolgung dar, nachdem der Rechtsanwalt bereits mit der Geltendmachung der Ansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners betraut war und erst, nachdem diese die Regulierung ablehnte, eine Klage vorbereitet werden musste und dafür die Deckungszusage mit Schreiben der rechtsanwaltschaftlichen Vertretung der Klägerin eingeholt würde. Die Rechtsanwälte waren daher mit der Abwicklung des Unfalls bereits befasst, sodass diese sich konsequenterweise auch um die Deckungszusage bei der Rechtschutzversicherung, wie auch um die Klagedurchführung kümmern.
Die Rechtsanwaltgebühren für die Einholung der Deckungszusage bemessen sich dabei nach dem zu ermittelnden Prozesskostenrisiko aus Sicht der Partei, die beabsichtigt zu klagen. Das Risiko besteht daher in Höhe der in einem Gerichtsverfahren entstehenden Gebühren wie folgt:
Rechtsanwaltgebühren des Klägers:
0,65 Verfahrensgebühr Nr. 3401 VV RVG |
104,85 EUR |
1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG |
193,20 EUR |
Auslagenpauschale (20 %) Nr. 7002 VV RVG |
20 EUR |
zuzüglich Mehrwertsteuer |
|
Summe |
378,24 EUR |
Rechtsanwaltskosten des Beklagten |
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1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG |
209,30 EUR |
1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG |
193,20 EUR |
Auslagenpauschale (20 %) Nr. 7002 VV RVG |
20 EUR |
Summe |
422,50 EUR |
Gerichtskosten |
243 EUR |
Summe |
1.043,47 EUR |
Die Summe bildet den Gegenstandswert zur Ermittlung der Gebühren der für die Deckungszusage anfallenden Rechtsanwaltsgebühren.
Aus diesem Gegenstandswert hält das Gericht eine 0,5 Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG für gerechtfertigt. Bei der 0,5-Gebühr hat es jedoch sein Bewenden, nachdem an die Rechtschutzversicherung lediglich ein einfaches Schreiben entsprechend Anlage K7 unter Beigabe eines Klageentwurfs übersandt wurde. Dies entspricht 42,50 EUR, zuzüglich einer Auslagenpauschale in Höhe von 20 %, zuzüglich Mehrwertsteuer. Mithin ergibt sich zusätzlich ein erstattungsfähiger Betrag für die Deckungszusage in Höhe von 60,69 EUR. … ”