1. Schadensmeldung
Erfolgt bei einer geringfügigen Hautverletzung keine zeitlich unmittelbar folgende akute Gesundheitsproblematik oder wird das schädigende Ereignis nicht als solches erkannt, so wird die vom Bedingungswerk geforderte sofortige ärztliche Konsultation nicht erfolgen, Ziff. 7.1 AUB. Hält man also an der Grundsystematik der AUB fest, dann verstößt der Versicherte gegen Obliegenheiten, wenn er nicht unverzüglich zum Arzt geht und das Ereignis nicht unverzüglich beim Versicherer meldet, Ziff. 7.1 AUB.
Als Konsequenz daraus könnte der Versicherte jeden Insektenstich dem Versicherer melden. Das wäre unsinnig, so denkt kein durchschnittlicher Versicherungsnehmer. Mit dem Einschluss von Bagatellverletzungen als Unfall werden die Meldeobliegenheiten der Ziff. 7.1 AUB zur überraschenden Klausel und nach § 305c I BGB unwirksam. Will der Versicherer die Meldung zeitnah erlangen, dann müsste er für die Infektionsfälle die Ziff. 7.1 AUB abändern, etwa von der klinischen Symptomatik und einem notwendigen Arztbesuch abhängig machen.
2. Invaliditätsfristen
Zum System der AUB gehört, dass nicht vorhersehbare Langzeitschäden nicht vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen. Dafür gibt es die Jahresfrist der Ziff. 2.1.1.1 AUB, wonach eine dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung innerhalb eines Jahres vom Unfalltag an gerechnet eingetreten sein muss. Für die Höhe wird auf zum Ende des dritten Unfalljahres bestehende und als dauerhaft anzusehende Funktionsbeeinträchtigungen abgestellt, Ziff. 9.4 AUB. Fehlt eine Funktionsbeeinträchtigung zum Ablauf des ersten Unfalljahres, dann besteht kein Anspruch auf eine Invaliditätsleistung.
Eine Infektion stellt für sich alleine keine dauerhafte Gesundheitsschädigung im Sinne einer Invalidität dar. Für solche Infektionen, bei denen sich die Gesundheitsschädigung häufig erst nach Ablauf eines Jahres manifestiert, ist der Versicherungsschutz faktisch ausgeschlossen, zumindest bei langwierigem Verlauf der Erkrankung, wie z.B. bei Hepatitis B oder Borreliose. Die Fristenregelung der Ziff. 2.1.1.1 AUB führt in den Fällen solcher Infektionserkrankungen zu einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 II Ziff. 2 BGB und ist unwirksam, § 307 I Satz 1 BGB.
Ohne die Fristen der Ziff. 2.1.1.1 AUB bleibt zunächst offen, in welchem zeitlichen Rahmen eine Gesundheitsschädigung eingetreten und ärztlich festgestellt sein muss. Zu denken ist hier an den letztmöglichen Zeitpunkt für die Invaliditätsfeststellung, also drei Jahre nach dem schädigenden Ereignis, Ziff. 9.4 AUB, § 188 VVG. Auf diesen Zeitpunkt ist auch bei der Bemessung des Dauerschadens abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt soll ein Unfallschaden regelmäßig abgeschlossen sein, damit muss ein verständiger Versicherter rechnen.
Eine Verlängerung der Fristen in Ziff. 2.1.1.1 AUB z.B. auf drei Jahre würde die unangemessene Benachteiligung beseitigen.
3. Erst- und Neufeststellung
Die Verlängerung der Fristen der Ziff. 2.1.1.1 AUB führt zu einem praktischen Problem, wenn unmittelbar vor Ablauf der drei Jahre der Versicherungsnehmer den Anspruch anmeldet. Eine Begutachtung wird dann innerhalb der drei Jahre nicht mehr erfolgen können. An späteren Untersuchungen muss der Versicherte aber grundsätzlich nicht teilnehmen. Man wird aber daran denken müssen, in diesen Fällen beiden Vertragsparteien eine Mitwirkungspflicht auch nach Ablauf der drei Jahre unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben aufzuerlegen. Umgehen lässt sich dieses Problem, indem auch die Frist der Ziff. 9.4 AUB verlängert wird, z.B. auf vier Jahre.