FeV § 28 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, Satz 2; Richtlinie 2006/126/EG Art. 2 Abs. 1, Art. 11 Abs. 4 Satz 2, Art. 13 Abs. 2; Richtlinie 91/439/EWG Art. 1 Abs. 2, Art. 8 Abs. 2 und 4
Dem Europäischen Gerichtshof wird gem. Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind Art. 2 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG dahingehend auszulegen, dass ein Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins ablehnen muss, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person außerhalb einer für sie geltenden Sperrzeit ausgestellt wurde, wenn deren Führerschein im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats entzogen worden ist, und diese Person zum Zeitpunkt der Führerscheinausstellung ihren ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaates hatte?
Das Berufungsverfahren wird bis zur Entscheidung des EuGH über die Vorlagefrage ausgesetzt.
BayVGH, Beschl. v. 16.8.2010 – 11 B 10.1030
Aus den Gründen:
[1] “I. Der 1940 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Er wendet sich gegen die Feststellung, dass die ihm am 19.1.2009 ausgestellte tschechische Fahrerlaubnis der Klasse B nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtige und die Anordnung, dass in dem tschechischen Führerschein die Ungültigkeit der Fahrerlaubnis im Bundesgebiet eingetragen wird.
[2] Der Kläger war seit 13.10.1960 Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alte Einteilung), die ihm mit Strafbefehl des Amtsgerichts M. vom 21.11.1996 entzogen und am 31.8.1998 wiedererteilt wurde. Mit rechtskräftig gewordenem Strafbefehl des Amtsgerichts M. vom 8.5.2007 wurde der Kläger wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (Blutalkoholkonzentration von 1,66 %o) zu einer Geldstrafe verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen. Für die Wiedererteilung wurde eine Sperrfrist von 15 Monaten, d.h. bis zum 7.8.2008, festgesetzt.
[3] Bei einer Verkehrskontrolle am 17.3.2009 wurde von der Polizei festgestellt, dass der Kläger einen am 19.1.2009 ausgestellten tschechischen Führerschein der Klasse B besitzt, in dessen Rubrik 8 als Wohnsitz Lazany (Tschechische Republik) eingetragen ist. Dieser Führerschein wurde bei einer weiteren polizeilichen Verkehrskontrolle am 25.3.2009 sichergestellt und der Fahrerlaubnisbehörde übersandt.
[4] Mit Schreiben vom 20.4.2009 wies die Fahrerlaubnisbehörde den Kläger darauf hin, dass er auf Grund seiner tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigt sei und sich des Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar mache, sofern er trotzdem Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr führe. Für den Fall, dass er nicht mit der Eintragung eines entsprechenden Sperrvermerks einverstanden sei, wurde der Erlass eines Feststellungsbescheids angekündigt.
[5] Nachdem der Kläger die geforderte Einverständniserklärung nicht abgegeben hatte, stellte die Fahrerlaubnisbehörde mit Bescheid vom 15.7.2009 fest, dass die dem Kläger am 19.1.2009 ausgestellte tschechische Fahrerlaubnis der Klasse B nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland berechtige (Ziffer 1) und ordnete an, dass auf dem tschechischen Führerschein die Ungültigkeit der Fahrerlaubnis im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingetragen wird (Ziffer 2).
[6] Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 13.8.2009 Klage zum VG Augsburg mit dem Antrag, den Bescheid des Beklagten vom 15.7.2009 aufzuheben.
[7] Mit Urt. v. 11.12.2009 [Au 7 K 09.1155] wies das VG Augsburg die Klage ab. Die Klage sei zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger sei nicht berechtigt, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen. Die Feststellung der fehlenden Berechtigung finde ihre Rechtsgrundlage in § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, Sätze 2 und 3 FeV. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmungen seien erfüllt. Die gegenüber dem Kläger mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 8.5.2007 verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis sei eine der in § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV aufgeführten Maßnahmen, die die Berechtigung nach § 28 Abs. 1 FeV im Inland ausschließen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei auch im Verkehrszentralregister eingetragen und nicht nach § 29 StVG getilgt.
[8] Der Feststellung der fehlenden Berechtigung, von der tschechischen EU-Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, stehe der gemeinschaftsrechtliche Anerkennungsgrundsatz nicht entgegen. Der gemeinschaftsrechtliche Maßstab ergebe sich aus der Richtlinie 2006/126/EG, nach deren Art. 18 Satz 2 der Art. 11 Abs. 1 und 3 bis 6 mit den Regelungen über den Entzug, die Ersetzung und die Anerkennung von Führerscheinen ab dem 19.1.2009 gelte. Gem. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG würden zwar die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anerkannt. Abweichend hiervon bestimme aber Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie, dass ein Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins ablehne, d...