[16] “… 1. Das BG hat die Bekl. wegen falscher Angaben zum Verschlusszustand der Fenster und Türen insgesamt für leistungsfrei gehalten, ohne zu beachten, dass der Kl. in der Besprechung v. 30.5.2006 nochmals über die Rechtsfolgen einer vorsätzlichen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit hätte belehrt werden müssen.

[17] a) Nach der so genannten Relevanzrechtsprechung des Senats kann sich der VR nur dann gem. § 6 Abs. 3 S. 1 VVG a.F. auf Leistungsfreiheit wegen einer vorsätzlichen folgenlosen Obliegenheitsverletzung berufen, wenn diese generell geeignet war, die Interessen des VR ernsthaft zu gefährden, und dem VN ein erhebliches Verschulden zur Last fiel … Die Leistungsfreiheit setzt weiter voraus, dass der VR den VN vorher deutlich über den Anspruchsverlust belehrt hat, der ihm bei vorsätzlich falschen Angaben droht … Dabei handelt es sich um ein aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitetes Korrektiv für die gravierenden Rechtsfolgen, die den VN bei Anwendung des “Alles-oder-Nichts-Prinzips’ treffen können. Die Belehrung bezweckt insoweit den Schutz des VN vor einem drohenden Rechtsverlust bei falschen Angaben … Sie darf keinen Zweifel darüber lassen, dass der zu erstattende Schadenbericht, um den Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zu verlieren, vollständig und richtig sein muss und dazu auch die Beantwortung der im Schadenberichtsformular gestellten Fragen gehört, soweit der VN zu einer Beantwortung in der Lage ist …

[18] b) Die Vorinstanzen haben die in der Verhandlungsniederschrift v. 5.1.2006 und der Anlage enthaltene “Belehrung über die Aufklärungspflicht des VN’ zu Recht für ausreichend gehalten. Eine gleich lautende Belehrung hat der Senat in dem Urt. v. 21.4.1993 (VersR 1993, 828 unter 2 b) nicht beanstandet und die Sache deshalb an das BG zurückverwiesen, weil es zu Unrecht eine Obliegenheitsverletzung nach Eintritt des Schadenfalles verneint hatte. Nach der Senatsrechtsprechung muss die Belehrung klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass vorsätzlich falsche oder unrichtige Angaben des VN auch dann einen Anspruchsverlust nach sich ziehen, wenn der VR keinen Nachteil erleidet (Senat VersR 1973, 174 unter VI 2). Dazu genügt der von der Bekl. verwendete Hinweis auf die Folgen “bewusst’ unwahrer oder unvollständiger Angaben. Ein durchschnittlicher VN wird daraus nicht schließen, dass schon die Kenntnis von der Unwahrheit oder Unvollständigkeit seiner Angaben zur Leistungsfreiheit des VR führt. Vielmehr wird er die Belehrung so verstehen, dass er den Deckungsschutz verliert, wenn er die Aufklärungsobliegenheit wissentlich und willentlich, also vorsätzlich verletzt.

[19] c) Das BG hat aber übersehen, dass auch eine richtige Belehrung nicht ohne weiteres für die gesamten Regulierungsverhandlungen fortgilt.

[20] aa) Zu dieser früher umstrittenen Frage hat der Senat mit Beschl. v. 28.2.2007 (VersR 2007, 785) Stellung genommen und betont, es bleibe eine Frage des Einzelfalles, ob der VN, der im Formular über die Schadenmeldung ordnungsgemäß belehrt worden sei, im Anschluss daran aufgrund besonderer Umstände erneut derart schutzwürdig erscheine, dass der Grundsatz von Treu und Glauben es dem VR gebiete, die bereits gegebene Belehrung zu wiederholen. Das kann der Fall sein, wenn der VN bei einer späteren Nachfrage den Bezug zu den Fragen der Schadenmeldung und seiner Aufklärungsobliegenheit wegen einer besonderen Fragestellung nicht ohne weiteres erkennen kann oder eine Nachfrage nach besonders langer Zeit erfolgt und deshalb die Sorge begründet, der VN könne die ursprüngliche Belehrung nicht mehr vor Augen haben. Ob solche besonderen Umstände gegeben sind, kann nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles beantwortet werden und hängt auch davon ab, ob der VN ausreichende Anhaltspunkte dafür hat, sich an die frühere Belehrung zu erinnern. Jedenfalls hat der Senat es nicht für geboten gehalten, die Belehrung losgelöst von den Fallumständen bei jeder Nachfrage des VR zu wiederholen oder feste Fristen vorzusehen, nach deren Ablauf jeder Nachfrage eine erneute Belehrung beizufügen ist …

[21] bb) Das bedeutet hier: Seit der Belehrung in der Verhandlungsniederschrift v. 5.1.2006 war ein Zeitraum von fast fünf Monaten verstrichen. Schon deshalb war die Sorge begründet, dass der Kl. die ursprüngliche Belehrung nicht mehr vor Augen hatte. Inhalt und Verlauf des Gesprächs v. 30.5.2006 gaben dem Kl. keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, sich an die frühere Belehrung zu erinnern, weil ihm die Zeugen K. und Dr. P. nicht offenbarten, dass es in dem Gespräch auch um ergänzende Ermittlungen zur Brandursache und nicht nur um die Schadenhöhe ging. Zudem war die Bekl. zu diesem Zeitpunkt bereits in die Regulierung eingetreten und hatte erhebliche Akontozahlungen an den Kl. geleistet, sodass er annehmen durfte, das Regulierungsgespräch betreffe allein die Höhe der insgesamt zu leistenden Entschädigungen. Ob die beiden Zeugen den Kl. bewusst über die Bedeutung der in dem Gespräch ...

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