Gesundheitsstrukturgesetz Art. 14; SGB X § 116 Abs. 1
Leitsatz
Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten geht gem. § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X auch i.H.d. Aufwendungen für den Investitionszuschlag nach Art. 14 des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) auf die gesetzliche Krankenkasse über.
BGH, Urt. v. 3.5.2011 – VI ZR 61/10
Sachverhalt
Die klagende gesetzliche Krankenkasse nimmt die beklagte Krankenhausträgerin aus übergegangenem Recht auf restlichen Schadensersatz wegen der Folgen eines ärztlichen Behandlungsfehlers in Anspruch. Im Revisionsverfahren wird allein noch darum gestritten, ob die Bekl. den für jeden Tag der stationären Krankenhausbehandlung in den neuen Bundesländern anfallende Investitionszuschlag zu ersetzen hat. Das bei der Kl. versicherte Kind D kam im Krankenhaus der Bekl. zur Welt, wobei es durch eine grob fehlerhafte Geburtsleitung eine schwere Hirnschädigung erlitt. Bis zu seinem Tode im März 2006 wurde es stationär behandelt. Der Krankenhausträger stellte der Kl. für den Zeitraum der Krankenhausbehandlung den Investitionszuschlag von 6.013,40 EUR in Rechnung. Die Kl. erstattete diese Kosten. Sie hat die Verurteilung der Bekl. zur Erstattung des Investitionszuschlages verfolgt. Das LG hat der Klage insoweit stattgegeben. Das BG hat die Klage auf die Berufung der Bekl. mit der Begründung abgewiesen, dass der Investitionszuschlag lediglich eine Subvention, dagegen nicht eine Sozialleistung darstelle. Der gezahlte Investitionszuschlag stehe nicht in sachlicher Kongruenz mit der Heilbehandlung des Geschädigten, weil er kein Entgelt für die Heilbehandlung darstelle, sondern zur allgemeinen Verbesserung des Krankenhauswesens in den neuen Bundesländern erhoben werde. Die Revision der Kl. führte zur Abänderung des Berufungsurt. und Wiederherstellung des landgerichtlichen Urt.
2 Aus den Gründen:
[6] “… Die Beurteilung des BG hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen seiner Auffassung ist der Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen die Bekl. aus § 823 Abs. 1 und § 280 Abs. 1 BGB gem. § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X auch i.H.d. Aufwendungen für den Investitionszuschlag nach Art. 14 Abs. 1 GSG auf die Kl. übergegangen.
[7] 1. Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X auf den Versicherungsträger über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen.
[8] a) Entgegen der Auffassung des BG stellt die Zahlung des Investitionszuschlags eine Sozialleistung der Kl. dar.
[9] aa) Sozialleistungen sind Dienst-, Sach- und Geldleistungen, die Gegenstand der im Sozialgesetzbuch vorgesehenen sozialen Rechte sind. Aus den sozialen Rechten können Ansprüche nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften in den besonderen Teilen des Sozialgesetzbuchs im Einzelnen bestimmt sind (§ 2 Abs. 1 S. 2, § 11 S. 1 SGB I). Sozialleistungen sind also solche Leistungen, die der Verwirklichung eines der in §§ 3–10 SGB I genannten sozialen Rechte dienen, im Sozialgesetzbuch geregelt sind und die dem Träger der sozialen Rechte dadurch zugute kommen, dass bei ihm eine vorteilhafte Rechtsposition begründet wird (vgl. BSGE 55, 40, 44; 102, 10 Rn 19).
[10] Im Streitfall stand dem Geschädigten ein Anspruch auf eine Krankenhausbehandlung nach § 11 Abs. 1 Nr. 4, § 27 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 5, § 39 SGB V zu. Nach diesen Vorschriften schuldet die Krankenkasse ihren Versicherten die Krankenhausbehandlung als Sachleistung. Diese stellt als Strukturelement der gesetzlichen Krankenversicherung die Regelform der Leistungsgewährung dar (vgl. § 2 Abs. 2 S. 1, § 13 Abs. 1 SGB V; BGH, Urt. v. 26.11.1998 – III ZR 223/97, BGHZ 140, 102, 104; BSGE 85, 110, 112; Beeretz in Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 2008, § 6 Rn 51). Die Krankenkasse erbringt ihre Sachleistungen grds. nicht durch eigene Einrichtungen, sondern beauftragt Leistungserbringer, die Sachleistungen zur Verfügung zu stellen (vgl. Senatsurt. v. 10.1.1984 – VI ZR 297/81, BGHZ 89, 250, 257 f.; Beeretz, in: Ratzel/Luxenburger, a.a.O., § 6 Rn 57; Ebsen, in: von Maydell/Ruland/Becker, Sozialrechtshandbuch, 4. Aufl., § 15 Rn 117; Wenzel/Quaas, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 2. Aufl., Kapitel 12 Rn 234). Schuldet der Sozialleistungsträger – wie hier – eine Sachleistung, kann er im Fall des Anspruchsübergangs vom Schädiger deren Wert ersetzt verlangen (vgl. Senatsurt. v. 27.1.1954 – VI ZR 16/53, BGHZ 12, 154, 156). Der zu ersetzende Wert richtet sich nach dem Geldbetrag, den der Sozialleistungsträger an seinen Leistungserbringer entrichten muss. Dieser ist im Dreiecksverhältnis zwischen Patient, Krankenkasse und Krankenhaus regelmäßig der Träger eines zugelassenen Krankenhauses (§ 108 SGB V), der für die Krankenkasse gem. § 109 Abs. 4 S. 2 SGB V im Rahmen des Versorgungsauftrags zur Krankenha...