I. Anwendbare Gesetzesvorschriften
Bei der vom BGH vorgenommenen Festsetzung des Streitwertes für das Revisionsverfahren ist es nicht um den Zuständigkeitsstreitwert gegangen. Somit hat der BGH den für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwert festgesetzt.
Die vom BGH mehrfach herangezogene Bestimmung des § 4 ZPO war hier nicht einschlägig. Die Wertvorschriften der §§ 3 ff. ZPO betreffen lediglich den für die Zuständigkeit maßgeblichen Wert des Streitgegenstands oder den Wert des Beschwerdegegenstands, s. § 2 ZPO. Für den Gebührenstreitwert gelten die §§ 3 bis 9 ZPO gem. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG nur, soweit die §§ 39 ff. GKG keine abweichende Regelung treffen. Der Gebührenstreitwert für Nebenforderungen ist jedoch in § 43 GKG geregelt, der somit die Anwendung des § 4 ZPO ausschließt. Diese gesetzessystematischen Ausführungen sind nicht lediglich theoretischer Natur. Sie können deshalb erhebliche praktische Bedeutung haben, weil der Regelungsgehalt für die Bewertung von Nebenforderungen für den Zuständigkeitsstreitwert in § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO teilweise ein anderer ist als die den Gebührenstreitwert betreffende Streitwertregelung in § 43 GKG. Für die hierzu entscheidende Frage waren die Vorschriften – zufällig – inhaltlich gleich.
Jedoch regelt § 43 Abs. 2 und 3 GKG für den Gebührenstreitwert Sachverhalte, die in § 4 Abs. 1 ZPO für den Zuständigkeitsstreitwert nicht geregelt sind. So weist auch Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl., Rn 6407 ff. auf den unterschiedlichen Anwendungsbereich dieser Vorschriften hin. Dass sich bei Anwendung des Zuständigkeitsstreitwertes nach den §§ 3 ff. ZPO einerseits und des für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwertes nach den §§ 39 ff. GKG andererseits durchaus unterschiedliche Ergebnisse ergeben können, ist auch meinen Anmerkungen zu der Entscheidung des BGH RVGreport 2008, 152, 154 zu entnehmen.
II. Bewertung des Zinsschadens als Nebenforderung
Ob der geltend gemachte Zinsschaden als Nebenforderung bei der Streitwertermittlung unberücksichtigt bleibt, wird in Rspr. und Literatur – s. die vom BGH erwähnten Zitate – nicht einhellig beurteilt. Auch der II. ZS des BGH hat in seinem Beschl. v. 28.9.1992 – II ZR 277/90, KostRSp. ZPO § 4 Nr. 74c – die Hauptsacheentscheidung ist beispielsweise in NJW 1992, 2222 veröffentlicht – einen Zinsanspruch mit folgender Begründung nicht als Nebenforderung eingestuft:
"Zutreffend weist der Prozessbevollmächtigte der Bekl. aber darauf hin, dass der Kl. den Zinsanspruch als Schadensersatzanspruch auch darauf gestützt hat, dass die Bekl. den Eintritt der die Zinspflicht auslösenden Fälligstellung und in Verzugsetzung verhindert und sich dadurch schadensersatzpflichtig gemacht habe. Das ist eine selbstständige Schadenersatzverpflichtung, die nicht als Nebenforderung i.S.d. § 22 Abs. 2 GKG und des § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO angesehen werden kann."
Der Zinsschaden ist nur dann als Hauptforderung zu berücksichtigen, wenn er ohne die zugehörige Hauptforderung geltend gemacht wird. Das war hier hinsichtlich der (unselbstständigen) Anschlussrevision der Kl. der Fall, weil die sich lediglich gegen die Klageabweisung eines Teils des entgangenen Zinsgewinns und der Anwaltskosten gerichtet hat.
Die Entscheidung des XI. ZS des BGH hat die praktische Auswirkung, dass die Prozessbevollmächtigten für ihre oft umfangreiche Ermittlung und Darlegung des Zinsschadens keinen Cent mehr an Vergütung erhalten. Gleiches gilt im Übrigen für die Staatskasse hinsichtlich der Gerichtsgebühren. Die Rechtsschutzversicherungen wird es demgegenüber freuen, weil viele Gerichte die vom BGH erörterte Streitwertfrage bisher anders gelöst hatten.
III. Rechtsanwaltskosten
Vorprozessual aufgewandte Anwaltskosten sind unabhängig davon, ob diese im Klageantrag der Hauptforderung hinzugerechnet worden sind oder ob sie neben der in der Klageschrift geltend gemachten Hauptforderung Gegenstand eines eigenen Antrags sind, bei der Streitwertbemessung nicht erhöhend zu berücksichtigen, so BGH RVGreport 2007, 194 (Hansens) = zfs 2007, 284 m. Anm. Hansens = AGS 2007, 231; BGH RVGreport 2007, 355 (ders.) = JurBüro 2007, 487. Vorgerichtliche Anwaltskosten sind allerdings dann bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen, wenn sie nicht neben der Hauptforderung geltend gemacht werden. Dies ist beispielsweise der Fall, soweit der geltend gemachte Hauptanspruch übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, so BGH zfs 2008, 165 m. Anm. Hansens = NJW 2008, 999 = RVGreport 2008, 152 (Hansens) oder wenn sich – wie hier – ein Rechtsmittel lediglich gegen die Absetzung (eines Teils) der vorgerichtlichen Anwaltskosten richtet.
Heinz Hansens