" … Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist i.S.d. § 93c Abs. 1 S. 1 BVerfGG offensichtlich begründet."

1. Die angegriffenen Entscheidungen des LG und des OLG verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung. …

bb) Das Grundgesetz gibt eine konkrete Ausgestaltung des Schutzes der informationellen Selbstbestimmung nicht vor. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts v. 23.11.2007 (BGBl I S. 2631) in § 213 VVG den Schutz der informationellen Selbstbestimmung der VN geregelt. Diese Regelung findet gem. Art. 1 Abs. 2 EGVVG jedoch keine Anwendung, wenn ein Versicherungsfall – wie hier – vor dem 31.12.2008 eingetreten ist. In diesen Fällen obliegt es allein den Gerichten, bei der Gesetzes- und Vertragsauslegung einen wirksamen Schutz der informationellen Selbstbestimmung zu gewährleisten, indem sie prüfen, wie das Interesse der Versicherten an wirkungsvollem informationellem Selbstschutz und das in der von Art. 12 GG geschützten Vertragsfreiheit wurzelnde Offenbarungsinteresse des Versicherungsunternehmens in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden können.

Eines Ausgleichs bedarf es hierbei insb. hinsichtlich der Frage, wie die für die Beurteilung der Leistungspflicht erforderlichen Informationen eingegrenzt werden können. Das Versicherungsunternehmen muss einerseits den Eintritt des Versicherungsfalls prüfen können, dabei muss anderseits aber die Übermittlung von persönlichen Daten auf das hierfür Erforderliche begrenzt bleiben. Allerdings ist es dem VR oft nicht möglich, im Voraus alle Informationen zu beschreiben, auf die es für die Überprüfung ankommen kann. Auch wenn die für die Prüfung benötigten Auskünfte begrenzt sein können, lassen sich diese zum Teil erst dann bestimmen, wenn der VR zunächst einen Überblick über die insgesamt in Betracht kommenden Informationsquellen und damit weiterreichende Informationen erlangt hat. In einer solchen Situation wird das verfassungsrechtlich gebotene Schutzniveau unterschritten, wenn die Gerichte den Versicherungsvertrag so auslegen, dass die Versicherten eine Obliegenheit trifft, eine umfassende Schweigepflichtentbindung abzugeben, die es dem Versicherungsunternehmen ermöglicht, “sachdienliche Auskünfte’ bei einem nicht konkret bestimmten Personenkreis von Ärzten, Krankenhäusern, Krankenkassen, Versicherungsgesellschaften, Sozialversicherungsträgern, Behörden und Arbeitgebern einzuholen (vgl. BVerfGK 9, 353, 362 ff.). Bestehen wie im vorliegenden Fall keine ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen über den informationellen Selbstschutz, kann es zur Gewährleistung eines schonenden Ausgleichs der verschiedenen Grundrechtspositionen geboten sein, eine verfahrensrechtliche Lösung zu suchen. Denkbar wäre insoweit die Anerkennung von Kooperationspflichten, die sicherstellen, dass Versicherte und Versicherung im Dialog ermitteln, welche Daten zur Abwicklung des Versicherungsfalls erforderlich sind. Die Anforderungen an diesen Dialog festzulegen und Vorgaben für seine Ausgestaltung zu machen, zählt zu den Aufgaben der Zivilgerichte.

c) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Schutz der informationellen Selbstbestimmung genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht.

aa) Zwischen der Beschwerdeführerin und der Bekl. bestand bei Abschluss des Versicherungsvertrags ein Verhandlungsungleichgewicht, das es der Beschwerdeführerin nicht ermöglichte, ihren informationellen Selbstschutz eigenverantwortlich und selbstständig sicherzustellen.

Deshalb oblag hier den Gerichten die Gewährleistung eines wirksamen Schutzes der informationellen Selbstbestimmung. Die Vertragsbedingungen der VR sind – jedenfalls hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Konditionen – praktisch nicht verhandelbar (BVerfGK 9, 353, 360; vgl. – für die Lebensversicherung – BVerfGE 114, 73, 95). Versicherte einer Berufsunfähigkeitsversicherung können nicht auf die Möglichkeit verwiesen werden, um des informationellen Selbstschutzes willen einen Vertragsschluss zu unterlassen oder die Leistungsfreiheit des VR hinzunehmen. Berufstätige sind vielfach darauf angewiesen, für den Fall der Berufsunfähigkeit durch Abschluss eines entsprechenden Versicherungsvertrags vorzusorgen, um ihren Lebensstandard zu sichern.

bb) Den danach sich aus der Verfassung ergebenden Anforderungen an einen hinreichenden Ausgleich zwischen den betroffenen Grundrechtspositionen, dem Interesse an informationellem Selbstschutz einerseits und dem in der Berufsfreiheit wurzelnden Interesse an der Offenlegung von Informationen andererseits, werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Sie tragen den Belangen der Beschwerdeführerin nicht hinreichend Rechnung.

(1) Durch die von den vorformulierten Einzelermächtigungen vorgesehene Entbindung von der Schweigepflicht würde der Bekl. ermöglicht, auch über das für die Abwicklung des Versicherungsfalls erforde...

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