[8] "… Mit der Begründung des BG kann ein Anspruch der Kl. auf Ersatz der an S erbrachten Rentenleistungen und von entgangenen Beiträgen zur Rentenversicherung aus §§ 823 Abs. 1, 842 BGB, §§ 7 Abs. 1, 11, 18 Abs. 1 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG a.F., §§ 116 Abs. 1 S. 1, 119 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht verneint werden."

[9] 1. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des BG, S sei infolge des Unfalls kein Erwerbsschaden i.S.d. § 842 BGB, § 11 S. 1 StVG entstanden.

[10] a) Da S im Zeitpunkt des Unfalls arbeitslos war und auf der Grundlage der Feststellungen des BG nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie in der Folgezeit in eine Arbeitsstelle hätte vermittelt werden können, hat sie allerdings keinen konkreten Verdienstausfallschaden erlitten. Ein solcher ist zwischen den Parteien auch nicht im Streit.

[11] b) Wie die Revision mit Erfolg geltend macht, liegt ein ersatzfähiger Erwerbsschaden jedoch darin, dass S infolge des Unfalls erwerbsunfähig geworden ist und dadurch ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld II aus § 19 SGB II verloren hat.

[12] aa) Gem. § 842 BGB, § 11 S. 1 StVG erstreckt sich bei einer Körperverletzung die Verpflichtung zum Schadensersatz auf die (Vermögens-)Nachteile, die der Verletzte durch die Aufhebung oder Minderung seiner Erwerbsfähigkeit erleidet. Dabei kommt der Arbeitskraft als solcher allerdings kein Vermögenswert zu; ihr Wegfall allein stellt deshalb auch bei “normativer’ Betrachtung keinen Schaden im haftungsrechtlichen Sinne dar (vgl. Senatsurt. v. 5.5.1970 – VI ZR 212/68, BGHZ 54, 45, 50 ff.; v. 20.3.1984 – VI ZR 14/82, BGHZ 90, 334, 336; v. 28.11.2000 – VI ZR 386/99, VersR 2001, 730, 731 m.w.N.; v. 8.4.2008 – VI ZR 49/07, BGHZ 176, 109 Rn 9 m.w.N.; siehe auch BGH, Urt. v. 24.11.1995 – V ZR 88/95, BGHZ 131, 220, 225 f.; v. 8.11.2001 – IX ZR 64/01, NJW 2002, 292, 293). Aus diesem Grunde entsteht demjenigen, der nur von seinem Vermögen oder seiner Rente lebt, arbeitsunwillig oder arbeitslos ist, ohne Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe beanspruchen zu können, allein durch den Verlust seiner Arbeitsfähigkeit noch kein ersatzpflichtiger Schaden (vgl. Senatsurt. v. 5.5.1970 – VI ZR 212/68, BGHZ 54, 45, 52; v. 20.3.1984 – VI ZR 14/82, BGHZ 90, 334, 336; v. 8.4.2008 – VI ZR 49/07, BGHZ 176, 109 Rn 9 m.w.N.).

[13] Die Ersatzpflicht greift jedoch ein, wenn durch die Beeinträchtigung der Arbeitskraft des Verletzten in dessen Vermögen ein konkreter Schaden entstanden ist. Ein solcher liegt nicht nur in dem Verlust von Arbeitseinkommen; der Erwerbsschaden umfasst vielmehr alle wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, die der Geschädigte erleidet, weil und soweit er seine Arbeitskraft verletzungsbedingt nicht verwerten kann, die also der Mangel der vollen Einsatzfähigkeit seiner Person mit sich bringt (vgl. Senatsurt. v. 20.3.1984 – VI ZR 14/82, BGHZ 90, 334, 336 f.; v. 8.4.2008 – VI ZR 49/07, BGHZ 176, 109 Rn 9; siehe auch Senatsbeschl. v. 20.10.2009 – VI ZB 53/08, VersR 2010, 133 Rn 7).

[14] bb) Ein derartiger Vermögensschaden entsteht auch demjenigen, der den Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld II aus § 19 SGB II verliert, weil er verletzungsbedingt erwerbsunfähig geworden ist.

[15] (1) Nach der Rspr. des erkennenden Senats begründete der unfallbedingte Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe aus § 117 Abs. 1 bzw. §§ 190 ff. SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung einen Erwerbsschaden des Verletzten (vgl. Senatsurt. v. 20.3.1984 – VI ZR 14/82, BGHZ 90, 334, 337 ff.; v. 18.2.1986 – VI ZR 55/85, VersR 1986, 485, 486; v. 8.4.2008 – VI ZR 49/07, BGHZ 176, 109 Rn 9). Maßgeblich hierfür war, dass das Gesetz den Arbeitslosen wegen seiner Arbeitsfähigkeit und Bereitschaft zur Arbeitsleistung weiterhin als in den Arbeitsmarkt eingegliedert ansah und der Arbeitslose seine Leistungsansprüche verlor, wenn er unfallbedingt arbeitsunfähig wurde. Denn der Rechtsanspruch auf Arbeitslosenunterstützung entstand nicht schon durch die bloße Tatsache der Arbeitslosigkeit. Er setzte voraus, dass der Arbeitslose arbeitsfähig war und sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellte (vgl. Senatsurt. v. 20.3.1984 – VI ZR 14/82, BGHZ 90, 334, 337; v. 8.4.2008 – VI ZR 49/07, BGHZ 176, 109 Rn 9; siehe auch Senatsurt. v. 18.2.1986 – VI ZR 55/85, VersR 1986, 485, 486; Denck, NZA 1985, 377, 378 f.).

[16] (2) Diese Erwägungen beanspruchen auch Geltung für das mit dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 24.12.2003 (BGBl I S. 2954, in Kraft getreten gem. Art. 61 am 1.1.2005) eingeführte Arbeitslosengeld II (§ 19 SGB II).

[17] (a) Zwar weist das Arbeitslosengeld II deutliche Unterschiede zur Arbeitslosenhilfe nach altem Recht auf. Mit dem SGB II hat der Gesetzgeber ein völlig neues Leistungssystem geschaffen, das Elemente der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe in sich vereint und deshalb als spezielles Fürsorgesystem für Erwerbsfähige ohne oder ohne ausreichende Erwerbsarbeit zu qualifizieren ist (vgl. BT-Drucks 15/1516, S. 41, 49; OLG Stuttgart OLGR 20...

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