Neben dem Personenschaden ist der erhebliche Sachschaden der Hauptanwendungsfall des Rechtsgedanken des § 60 StGB. In erster Linie dürfte es hier um den Fall gehen, dass infolge des Verkehrsunfalls das Fahrzeug des Betroffenen einen Totalschaden erlitten und der Betroffene keine Vollkaskoversicherung abgeschlossen hat.[10] Dann hat der Betroffene mitunter einen erheblichen finanziellen Schaden, da er ein Ersatzfahrzeug anschaffen muss.

Dies kann die Bußgeldstelle von sich aus freilich nicht wissen. Das bedeutet, der Verteidiger hat sie hierauf hinzuweisen. Es ist angezeigt, dass er in seinem Schreiben an die Bußgeldstelle den Versicherungsschein zum Nachweis mitschickt und – sofern vorhanden – ein Gutachten zur Höhe des Fahrzeugschadens. Sofern der Mandant rechtsschutzversichert ist, kann überlegt werden, ein Sachverständigengutachten nach entsprechender Deckungszusage seitens des Versicherers in Auftrag zu geben. Nach 2.3.1.3 ARB 2012 (§ 5 Abs. 1 lit. F aa ARB 2010) trägt die Rechtsschutzversicherung nämlich die übliche Vergütung eines öffentlich bestellten technischen Sachverständigen oder einer rechtsfähigen Sachverständigenorganisation in Fällen der Verteidigung in verkehrsrechtlichen Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren.

Hat der Betroffene eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen, so wird er in der Regel eine Selbstbeteiligung haben. Häufig liegt diese bei etwa 300 EUR. Dann sollte der Verteidiger auf die vereinbarte Selbstbeteiligung verweisen und den Versicherungsschein weiterreichen. Die Selbstbeteiligung ist ebenfalls Sachschaden und verbleibt bei dem Betroffenen. Auch wird sie regelmäßig das zu verhängende Bußgeld überschreiten, so dass auch in diesem Fall die Verhängung eines gesonderten Bußgeldes mit guten Gründen überflüssig erscheint.

In einem Schreiben könnte wie folgt formuliert werden:

 
Hinweis

" … (Ausführungen zum Tatvorwurf)"

Zudem hat mein Mandant einen hohen Eigenschaden zu beklagen. Sein Fahrzeug hat einen Totalschaden erlitten. Der Restwert beträgt lediglich 100 EUR. Das Fahrzeug ist quasi wertlos. Ich überreiche in Abschrift das beigefügte Schadensgutachten zur Kenntnis.

Eine Vollkaskoversicherung hat mein Mandant nicht abgeschlossen, wie sich aus dem ebenfalls beigefügten Versicherungsschein ergibt.

Mein Mandant ist zwingend auf die Nutzung eines Fahrzeugs angewiesen, muss also nun ein neues anschaffen und vollständig aus eigenen Mitteln finanzieren.

Aus dem Rechtsgedanken des § 60 StGB, welcher auch im Ordnungswidrigkeitenrecht Anwendung findet (Seitz in Göhler: OWiG, 16. Aufl. 2012, § 47 Rn 11; Bohnert in: KK-OWiG, 3. Aufl. 2006, § 47 Rn 113; Herde, DAR 1984, 135; Fromm, zfs 2013 431), folgt, dass von der Verhängung einer Geldbuße bzw. der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit abzusehen ist, wenn die Folgen der Tat, die den Betroffenen getroffen haben, so schwer sind, dass die Verhängung einer Geldbuße offensichtlich verfehlt wäre.

Die Kosten für eine Ersatzbeschaffung übersteigen das Bußgeld um ein Vielfaches, so dass es einer gesonderten Verhängung eines Bußgeldes nicht bedarf. Hierdurch wäre mein Mandant doppelt bestraft.

Ich beantrage daher, das Bußgeldverfahren gegen meinen Mandanten einzustellen.“

[10] Vgl. auch Fromm a.a.O.

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