StVG § 29 Abs. 8; FeV § 13 S. 1 Nr. 2b, Nr. 2d § 20 Abs. 1 § 11 Abs. 6 S. 4; VwGO § 123
Leitsatz
1. Zwingt § 13 FeV zur Anordnung einer Begutachtung des Fahrerlaubnisbewerbers, so darf die Behörde die Fahrerlaubnis nur wieder erteilen, wenn ein positives Gutachten zur Ausräumung der Eignungszweifel vorgelegt wurde.
2. Ein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis besteht nicht, solange Eignungszweifel vorliegen, welche die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens rechtfertigen.
3. Die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens hat nach § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. d FeV jedenfalls dann zu erfolgen, wenn die Fahrerlaubnis wegen Alkoholmissbrauchs durch strafgerichtliches Urteil nach Maßgabe von § 69 StGB entzogen war.
4. Bleiben versehentlich nicht verwertbare Unterlagen bei der der Untersuchungsstelle übermittelten Akte, ist dies rechtswidrig bzw. steht in Widerspruch zu § 11 Abs. 6 S. 4 FeV. Derartige Fehler gehen grds. ohne Weiteres zu Lasten der Behörde, mittelbar dadurch, dass sie die Nichtverwertbarkeit des auf der Grundlage solchermaßen fehlerhafter Unterlagen erstellten Gutachtens nach sich ziehen können.
5. Das gesetzliche Verwertungsverbot nach Maßgabe von § 29 Abs. 8 S. 1 StVG greift auf jeder Stufe des Verfahrens betreffend die Beurteilung der Eignung des ASt.: Auch der Gutachter darf die betroffene Tat und Entscheidung dem Betr. nicht mehr vorhalten bzw. zu seinem Nachteil verwerten.
6. Hat die fehlerhafte Übersendung nicht verwertbarer Unterlagen an die Untersuchungsstelle kausal zur Folge, dass die Frage der Eignung des ASt. zum Führen von Kfz aktuell noch nicht beurteilt werden kann, kann dem ASt. gestützt auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch im einstweiligen Anordnungsverfahren ein Anordnungsanspruch dergestalt zustehen, dass der AG ihn vorläufig so stellen muss, als wenn bislang auf die Gutachtenanordnung hin noch keine Begutachtung durch eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung erfolgt wäre (im vorliegenden Fall nach näheren Maßgaben bejaht).
OVG für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 22.5.2013 – 1 M 123/12
Sachverhalt
Auf die Beschwerde des ASt. wird der Beschl. des VG Schwerin v. 12.7.2012 – 3 B 278/12 – zu Ziffer 1. teilweise geändert:
Der AG wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den ASt. vorläufig nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe (dazu am Ende der Entscheidung) so zu stellen, als wenn bislang auf die Gutachtenanordnung des AG v. 20.10.2010 hin noch keine Begutachtung des ASt. durch eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung erfolgt wäre.
2 Aus den Gründen:
"Der ASt. verfolgt das Begehren, den AG im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu verpflichten, ihm die Fahrerlaubnis für die Klassen A, BE, C1E, M, L und T bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens VG Schwerin – Az. 3 A 1829/11 vorläufig neu zu erteilen. Mit dem angefochtenen Beschl. v. 12.7.2012 – 3 B 278/12 – hat das VG Schwerin den Antrag abgelehnt."
Die nach … fristgemäß eingelegte und … fristgemäß begründete Beschwerde des ASt. gegen den Beschluss des VG hat teilweise Erfolg. …
Die vom ASt. angeführten Gründe rechtfertigen im Ergebnis nur teilweise eine Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Der ASt. hat keinen Anordnungsanspruch betreffend die begehrte (vorläufige) Neuerteilung der Fahrerlaubnis der genannten Klassen glaubhaft gemacht (1.). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind jedoch als Minus zu einem Anspruch auf (vorläufige) Neuerteilung der Fahrerlaubnis insoweit zu bejahen, als der ASt. vom AG gestützt auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch verlangen kann, ihn vorläufig nach näheren Maßgaben so zu stellen, als wenn bislang auf die Gutachtenanforderung v. 20.10.2010 hin noch keine Begutachtung durch eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung erfolgt wäre (2.).
1. Nach § 20 Abs. 1 FeV gelten im Verfahren auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung die Vorschriften über die Ersterteilung. Gem. § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG müssen Fahrerlaubnisbewerber zum Führen von Kfz geeignet sein. Dies ist gem. §§ 2 Abs. 4 S. 1 StVG, 11 Abs. 1 S. 1 FeV der Fall, wenn sie die körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben. Nach § 11 Abs. 1 S. 2 FeV sind die Anforderungen insb. dann nicht erfüllt, wenn ein Mangel oder eine Erkrankung i.S.v. Anlage 4 oder 5 zur FeV vorliegt. Gibt es hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Mangel vorliegen könnte, ist die Fahrerlaubnisbehörde nach Maßgabe der §§ 11–14 FeV dazu berechtigt oder sogar verpflichtet, Maßnahmen zur Aufklärung bestehender Fahreignungszweifel zu ergreifen. Geht es – wie im Fall des ASt. – um eine Alkoholproblematik und somit um Anhaltspunkte für einen Mangel i.S.v. Nr. 8 der Anlage 4 zur FeV, richten sich die von der Fahrerlaubnisbehörde zu treffenden Maßnahmen zur Klärung von ...