"Die Beschwerde gegen den Beschl. des AG, mit dem dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen und sein Führerschein beschlagnahmt wurde, ist nach § 304 Abs. 1, 306 S. 2 StPO zulässig. Nach § 73 Abs. 1 GVG ist die Strafkammer beim LG das zuständige Beschwerdegericht, denn es wird eine Entscheidung des Ermittlungsrichters beim AG angegriffen."
Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Die Voraussetzungen des § 111a StPO liegen derzeit nicht vor. Es sind nicht hinreichend dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass der Angeklagten nach § 69 StGB die Fahrerlaubnis entzogen werden wird.
Ein dringender Tatverdacht einer Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) und damit einer Anlasstat nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB liegen derzeit nicht vor. Beim gegenwärtigen Ermittlungsstand ist nicht davon auszugehen, dass das Gericht im Erkenntnisverfahren dem Beschuldigten mit hoher Wahrscheinlichkeit die Fahrerlaubnis entziehen und den Führerschein einziehen wird.
Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand ist nicht nachzuweisen, dass es der Beschuldigte war, der das Fahrzeug im fahruntüchtigen Zustand zur Tatzeit im öffentlichen Straßenverkehr, nämlich im Bereich der A-Straße in S geführt hat.
Der Beschuldigte hat dies gegenüber den Polizeibeamten PK L und PKin K-S zwar eingeräumt. Diese Angabe ist wegen eines Verstoßes gegen die aus den §§ 136 Abs. 1, 163a Abs. 4 StPO folgende Belehrungsverpflichtung der Ermittlungspersonen u.a. über das Schweigerecht des Beschuldigten unverwertbar. In der Folge wäre auch eine Vernehmung der Ermittlungsbeamten zu dem Inhalt der gemachten Angaben unverwertbar.
Nach § 136 StPO, der über § 163a Abs. 4 StPO auch für Polizeibeamte im Ermittlungsverfahren gilt, ist einem Beschuldigten bei Beginn der ersten Vernehmung zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird und dass es ihm frei stehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht auszusagen. Nach st. Rspr. des BGH seit dem Beschl. v. 27.2.1992 – 5 StR 190/91 = NZV 1992, 242 führt der Verstoß gegen § 136 Abs. 1 ggf. i.V.m. § 163 Abs. 4 StPO zu einem Beweisverwertungsverbot.
Im Einzelfall ist die Frage der “Belehrungsschwelle’, also der Situation, in der eine Belehrung spätestens erforderlich wird, nicht immer einfach zu beantworten. Im Zweifel wird einer frühzeitigen Belehrung der Vorzug zu geben sein. Nach einer veröffentlichten Entscheidung des AG Bayreuth (Beschl. v. 17.10.2002 – 3 Cs 5 Js 8510/02 = NZV 2003, 202) ist bei der Suche nach einem zuvor unbekannten Fahrer, dem ein Delikt als Führer eines Kfz zur Last fällt, eine Belehrung des Halters nach § 136 Abs. 1 StPO “zwingend, weil aufgrund der Haltereigenschaft die Fahrzeugführereigenschaft nahe liegt und sich daher der Beschuldigtenkreis derart verdichtet, dass der Halter zum Zeitpunkt der Befragung bereits als potentieller Täter in Betracht kommt’.
Das OLG Zweibrücken führt im Beschl. v. 16.8.2010 – 1 Ss Bs 2/10 aus, dass nicht jeder unbestimmte Tatverdacht bereits die Beschuldigteneigenschaft begründet. Es komme auf die Stärke des Verdachts an, also darauf, ob die Strafverfolgungsbehörde nach pflichtgemäßer Beurteilung von einer ernstlichen Täter- oder Beteiligteneigenschaft des Befragten ausgehen konnten. Vor einer solchen Verdachtsverdichtung sei eine sog. informelle Befragung zulässig und ihre Ergebnisse verwertbar.
Zu beachten ist vom Grundsatz her, dass eine Belehrungspflicht voraussetzt, dass von einem Anfangsverdacht gegen den Befragten auszugehen ist. Hierbei wird man den Ermittlungspersonen einen gewissen Ermessensspielraum einräumen müssen, wobei dieser vor dem Hintergrund der Bedeutung des Schweigerechts im Strafverfahren nicht im Lichte ermittlungstaktischer Interessen zu sehen ist.
Vorliegend fuhren die Beamten nach einer Meldung durch die bisher nicht vernommene Zeugin N die per ZEVIS-Halterauskunft ermittelte Anschrift des Halters des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … an. Dieses Kennzeichen war durch die Zeugin N durchgegeben worden. Die Zeugin N hatte auch von Verkehrsverstößen berichtet, u.a. einem Rotlichtverstoß auf Höhe der B-Niederlassung in S sowie dem Fahren von “Schlangenlinien’. Die Polizeibeamten fanden das Fahrzeug an der Halteranschrift mit dem von der Zeugin durchgegebenen Kennzeichen vor. An der Motorhaube und dem Auspuff war keine Wärme feststellbar, wobei die Außentemperatur -1° C betrug. Nach zweimaligem Klopfen an der Anschrift M-Str. 51 in S öffnete der Beschuldigte und wurde ohne weiteren Hinweis auf den Anlass der Befragung befragt, ob er der Halter des Fahrzeugs sei, was er bejahte. Dann wurde er weiter befragt, ob er gerade mit dem Fahrzeug unterwegs gewesen sei. Auch diese Frage bejahte der Beschuldigte. Erst nachdem die Beamten in die Wohnung eingelassen wurden und sodann äußere Hinweise auf eine Alkoholisierung des Beschuldigten wahrnahmen, wurde er gem. § 136 StPO belehrt.
In diesem Fall hätte ermessensfehlerfrei eine Belehrung erfolgen müssen, nachdem der Beschuldigte bestätigte, der Halter des Fahrzeugs zu sein. Zum Zeitpunkt der Befragung ...