AUB § 2 § 3 i
Leitsatz
Der Unfallversicherer, der sich bei einer Schädigung durch eine Infektion darauf beruft, dass die Krankheitserreger durch eine Hautverletzung, die als solche geringfügig ist, in den Körper gelangt sind, obliegt der Nachweis, dass tatsächlich lediglich die Haut und nicht auch darunter liegendes Gewebe in Mitleidenschaft gezogen worden ist.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.7.2013 – 12 U 12/13
Sachverhalt
Die Kl. begehrt Leistungen aus einer Unfallzusatzversicherung.
Die der Unfall-Zusatzversicherung zugrunde liegenden AVB enthalten unter anderen folgende Klauseln:
"§ 3. In welchen Fällen ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen?"
i) Infektionen.
Wir werden jedoch leisten, wenn die Krankheitserreger durch eine unter diese Versicherung fallende Unfallverletzung in den Körper gelangt sind. Nicht als Unfallfolgen gelten dabei Haut- oder Schleimhautverletzungen, die als solche geringfügig sind und durch die Krankheitserreger sofort oder später, in den Körper gelangen; für Tollwut und Wundstarrkrampf entfällt diese Einschränkung“.
Der Ehemann der Kl. verletzte sich beim Schneiden von Rosenstöcken am 28.9.2010 am linken Mittelfinger durch einen Rosendorn. Wegen dieser Verletzung wurde er zunächst stationär behandelt, wobei eine Infektion mit Staphylokokkus aureus festgestellt wurde. Wegen dieser Infektion kam es zu einer teilweisen Amputation des linken mittleren Fingers. Nach einer weiteren Verschlechterung seines Gesundheitszustandes begab sich der Ehemann der Kl. wiederum in stationäre Behandlung und verstarb dort wegen einer Sepsis bei Staphylokokkus aureus Bakteriämie.
2 Aus den Gründen:
" … 1. Das LG hat … die Frage offen gelassen, ob das von der Kl. geschilderte Ereignis ein bedingungsgemäßer Unfall war. Diese Frage ist zu bejahen."
a) Entgegen der Auffassung der Bekl. liegt ein “plötzlich von außen auf [den] Körper wirkendes Ereignis’ vor. Der Begriff des von außen wirkenden Ereignisses soll rein körperinnere Vorgänge vom Unfallbegriff ausschließen. Klassische Fälle für das Merkmal “von außen’ sind Zusammenstöße des Körpers mit Sachen, Tieren oder anderen Personen. … Ein solcher Zusammenstoß mit einer Sache liegt auch bei einem Stich mit einem Rosendorn vor.
b) Dass eine gewollte Bewegung des Versicherten vorgelegen haben dürfte, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Unfallbegriff ist nur dann nicht erfüllt, wenn die Eigenbewegung und die Kollision gewollt waren und dabei lediglich eine ungewollte Gesundheitsbeschädigung eingetreten ist. … Zwar weist die Bekl. zu Recht darauf hin, dass die Kl. die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass es zu einer Schädigung durch den Zusammenstoß gekommen ist. Entgegen der Auffassung der Bekl. muss die Kl. nicht beweisen, dass der Versicherte die Gesundheitsbeschädigung unfreiwillig erlitten hat. Die Unfreiwilligkeit wird nämlich bis zum Beweis des Gegenteils vermutet (§ 178 Abs. 2 S. 2 VVG; § 180a VVG a.F.) Anhaltspunkte dafür, dass der Versicherte hier – auch im Hinblick auf die Verletzung – bewusst in einen Rosendorn gefasst haben könnte, gibt es nicht.
2. Nach den der Entscheidung zugrunde zu legenden tatbestandlichen Feststellungen ist der Ehemann der Kl. durch eine Infektion aufgrund der Verletzung am Rosendorn verstorben.
a) Dass sich der Ehemann der Kl. durch die Verletzung an einem Rosendorn infiziert hatte, hat die Bekl. erstinstanzlich ausdrücklich unstreitig gestellt. …
b) Das erstinstanzliche Urteil legt als unstreitig zugrunde, dass der Ehemann der Kl. aufgrund der verletzungsbedingten Infektion verstorben ist …
4. Der Auffassung des LG, dass eine Leistung aufgrund der Infektionsklausel ausgeschlossen sei, folgt der Senat nicht.
a) Die Bekl. und mit ihr das LG legen die Infektionsklausel dahin aus, dass Versicherungsschutz nicht besteht, wenn Krankheitskeime durch eine unfallbedingte geringfügige Hautverletzung in den Körper gelangt sind. Ob dies richtig ist, ist zweifelhaft. Wäre das Verständnis der Bekl. und des LG richtig, so müsste das Wort “Unfallverletzung’, das im ersten Satz der Klausel verwendet wird, im zweiten Satz wiederholt werden. Dort ist aber die Rede davon, dass entsprechende Hautverletzungen nicht als “Unfallfolgen’ gelten. Der durchschnittliche Leser der Klausel wird wegen dieser Wortverschiedenheit annehmen, dass im ersten und zweiten Satz der Klausel unterschiedliche Bedeutungen gemeint sind; aus dem Klauselwortlaut erschließt sich aber nicht, worin diese unterschiedlichen Bedeutungen liegen sollen. Diese Unklarheit könnte nach § 305c Abs. 2 BGB zur Folge haben, dass wegen Unklarheit ein Versicherungsschutz nicht zu versagen ist, wenn Infektionen durch eine geringfügige Hautverletzung eingetreten sind. Allenfalls aus dem Zusammenhang der Klausel könnte der durchschnittliche VN ableiten, für welche Fälle ein Ausschluss bestehen sollte. Die verwendete Klausel ist auch – entgegen der Auffassung der Bekl. – in dieser Form nicht “seit Jahrzehnten in der Versicherungswirtschaft üblich’. Zwar ist es richtig, dass die Musterbedingungen seit langem einschränkende Klauseln be...