OWiG § 33 Abs. 1 Nr. 5 § 46; StPO § 205
Leitsatz
Eine Einstellung nach § 205 StPO, § 46 OWiG hat nicht die verjährungsunterbrechende Wirkung des § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG, wenn der Name des Betr. und dessen Anschrift stets bekannt war und lediglich behördenintern aktenkundige Angaben unrichtig zur Kenntnis genommen oder unrichtig übertragen wurden.
AG Lüdinghausen, Beschl. v. 12.3.2013 – 19 OWi-89 Js 187/13-20/13 (rk)
Sachverhalt
Gegen den Betr. ist ein Bußgeldbescheid wegen einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 4 Abs. 3, 49 StVO, § 24 StVG erlassen worden. Das AG Lüdinghausen hat das Verfahren nach § 206a StPO eingestellt.
2 Aus den Gründen:
" … Die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit ist ausgeschlossen, weil inzwischen Verfolgungsverjährung eingetreten ist."
Nach der Tat v. 6.7.2012 fand am 31.7.2012 eine Verjährungsunterbrechung statt durch Absendung eines Anhörungsbogens von diesem Tage an den Betr. Dieser Anhörungsbogen geriet jedoch als unzustellbar in Rücklauf, da die Verwaltungsbehörde den Vornamen des Betr. mit “Y’, nicht aber richtig mit “J’ geschrieben hat und auch die Hausnummer nicht mit 5 (richtig!) sondern falsch mit 6 angegeben hat. Die Mitarbeiter der Verwaltungsbehörde hatten offenbar die etwas undeutliche – aber noch lesbare – Schrift der Halterin in deren Rückantwort auf dem ihr übersandten Zeugenbefragungsbogen unrichtig in die behördlichen Datenerfassungssysteme übertragen. Obwohl also der richtige Name und die richtige Anschrift des Betr. aktenkundig waren, kam es am 22.8.2012 und am 13.9.2012 zu vorläufigen Einstellungen des Verfahrens nach “§ 33 Abs. 1 N. OWiG’. Gemeint war offenbar die Einstellung nach §§ 46 OWiG i.V.m. 205 StPO, die nach § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG eine Unterbrechung der Vollstreckungsverjährung zur Folge hat. Nach einer EMA-Auskunft wurde dann das Verfahren am 6.11.2012 mit falscher Namensangabe des Betr. durch Erlass eines Bußgeldbescheids wegen eines Abstandsverstoßes fortgesetzt.
Die Einstellungen hatten jedoch nicht die verjährungsunterbrechende Handlung des § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG, so dass 3 Monate (§ 26 Abs. 3 StVO) nach dem Anhörungsschreiben v. 31.7.2012 und damit auch schon vor Erlass des Bußgeldbescheids Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Es lag nicht ein bloßer Irrtum über den Aufenthalt des Betr. vor, der die Wirkung § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG nicht beeinflusst hätte (hierzu: Gürtler in: Göhler, OWiG, 16. Aufl., 2012, § 33, Rn 27). Vielmehr waren im Ursprung bereits die richtige Anschrift und der richtige Name des Betr. aktenkundig – sie wurden aber von der Verwaltungsbehörde nicht richtig zur Kenntnis genommen oder nicht richtig übertragen. So wurde selbst noch nach der EMA-Anfrage der Name des Betr. weiter falsch mit “Y’ geschrieben. Die verfahrensrechtliche Lage ist damit wie im Falle des OLG Karlsruhe (Beschl. v. 6.3.2000 – 2 Ss 163/98, DAR 2000, 371) zu beurteilen, so dass wegen des Eintritts des Verfahrenshindernisses der Verjährung nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 206a StPO einzustellen war.“
Mitgeteilt von RiAG Carsten Krumm, Lüdinghausen
3 Anmerkung:
Auf den ersten Blick erscheint die Entscheidung unspektakulär, aber wenn man ein wenig tiefer in die Problematik (Irrtum bei der Verwaltungsbehörde) einsteigt, offenbaren sich doch einige bemerkenswerte Details.
Es gibt dem Grunde nach zwei gegenläufige Ansätze in der OLG-Rspr. Das OLG Bamberg (Beschl. v. 18.4.2007 – 2 Ss OWi 1073/06, NStZ 2008, 532) propagiert – in Kenntnis der gegenläufigen Vorgängerrechtsprechung des OLG Hamm –, dass es für die Verjährungsunterbrechung nach § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG aufgrund vorläufiger Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit weder auf die tatsächliche Abwesenheit des Betr. ankommt, noch muss ein diesbezüglicher Irrtum der Verfolgungsbehörde unverschuldet sein. Eine fehlerhafte Unterbrechungshandlung unterbreche die Verjährung nur ganz ausnahmsweise dann nicht, wenn sie wegen eines schwerwiegenden Fehlers unwirksam sei – und vielleicht, wenn eine Scheinmaßnahme getroffen worden ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle ansonsten gerade keine Prüfung stattfinden, ob die Unterbrechungshandlung (objektiv) tatsächlich geboten gewesen sei.
Das OLG Hamm (Beschl. v. 2.8.2007 – 2 Ss OWi 372/07, NZV 2007, 588) wiederum stellt – in Kenntnis der Rspr. des OLG Bamberg – fest, dass die Frage, ob ein Irrtum der Verfolgungsbehörde unverschuldet sein muss oder nicht, offen bleiben könne, wenn der Irrtum der Bußgeldbehörde über den Aufenthaltsort des Betr. auf falschen Angaben einer anderen Behörde (hier: ermittelnder und den Namen falsch aufschreibender Polizeibeamter) beruht. Ansonsten dürfe der Irrtum nicht auf dem Verschulden der Behörde beruhen. Letztere Ansicht bejahte schon vor beiden Entscheidungen das OLG Brandenburg (Beschl. v. 29.3.2005 – 2 Ss (OWi) 51 Z/05, NZV 2006, 100).
Zwei der derzeit maßgebenden verkehrsrechtlichen Kommentatoren sprechen sich für das OLG Bamberg aus. Gürtler bezeichnet (Göhler, OWiG, 16. Aufl. 2012, § 33 Rn 27) das OLG Hamm und das OLG Brandenburg als "Mindermeinung", hingegen das OLG Bamberg als "herrschende Meinung",...