VVG § 23 Abs. 1–3 § 26 Abs. 1 S. 1 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
1. Die von außen nicht sichtbare Verwahrung der Zulassungsbescheinigung im Fahrzeuginneren stellt keine Gefahrerhöhung dar.
2. Eine Gefahrerhöhung aufgrund eines Schlüsselverlusts kommt nur in Betracht, wenn sich aus dessen Umständen das objektive Risiko des Zugriffs Dritter auf das versicherte Kfz erhöht hat.
3. Vermag der VN aufgrund intellektueller Einschränkungen aufgrund der Umstände, die ein Entwendungsrisiko begründen, nicht zu erkennen, dass er gehalten sein könnte, seinen VR zu unterrichten, ist ihm das nicht als grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Hamm, Urt. v. 3.7.2013 – 20 U 226/12
1 Sachverhalt
Der Kl. verlangt von der Bekl., seinem Kasko-VR, Entschädigung wegen der behaupteten Entwendung seines, aufgrund eines alkoholerkrankungsbedingten Verlustes seiner Fahrerlaubnis seit 2010 ausschließlich von seiner Lebensgefährtin L genutzten Kfz in der Nacht vom 13.11. auf den 14.11.2010. Mitte des Jahres 2010 hatte der Kl. den Verlust eines seiner beiden Kfz-Schlüssel bemerkt. Der Kl. zeigte dies weder der Polizei noch dem VR an. Später, nach der Entwendung seines Kfz, hegte er den Verdacht, dass sein strafrechtlich mehrfach in Erscheinung getretener Bekannter P, mit dem er einen Trinkabend verbracht hatte, den Schlüssel entwendet haben könnte. Die Zulassungsbescheinigung hatte der Kl. im Fahrzeuginnern verwahrt.
2 Aus den Gründen:
" … Die Klage ist begründet. Der Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Zahlung von 5.265 EUR an die S Bank AG zu dem von ihm für die Finanzierung des versicherten Fahrzeugs aufgenommenen Darlehen."
1. Der Anspruch beruht auf Ziffer A. 2.6.1.a AKB der für den versicherten Wagen von der Bekl. zugesagten Kaskoversicherung. Danach schuldet die Bekl. bei bedingungsgemäßem Verlust des Fahrzeugs den Wiederbeschaffungswert des Wagens.
a) Der Kl. hat bewiesen, dass der Verlust des versicherten Fahrzeugs auf einer Entwendung durch Diebstahl i.S.v. Ziffer A. 2.2.2 AKB beruht. Ihm kommen nach der von der Rspr. entwickelten sog. Dreistufentheorie als VN Beweiserleichterungen dergestalt zugute, dass er auf erster Stufe nur ein Mindestmaß von Tatsachen beweisen muss, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf einen bedingungsgemäßen Fahrzeugdiebstahl hinweisen. Dieser Beweis ist erbracht, wenn der VN nachweist, das Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt und dort später nicht wieder aufgefunden zu haben (vgl. BGH VersR 2002, 431, juris-Rn 8 … ). Nur wenn dem VR demgegenüber der Beweis von Tatsachen gelingt, aus denen sich die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Vortäuschung des Versicherungsfalls ergibt, hat der VN den Vollbeweis einer bedingungsgemäßen Entwendung zu erbringen (vgl. BGH VersR 1999, 181, juris-Rn 11).
aa) Der Kl. hat mit Aussage der von ihm benannten Zeugin L zunächst bewiesen, dass der versicherte Wagen am späten Nachmittag des 13.11.2010 in der G-Straße in l auf der Höhe seines Wohnhauses abgestellt worden ist. Die Zeugin L hat wie in erster Instanz glaubhaft geschildert, dass sie mit dem Kl. am Samstagnachmittag einkaufen gewesen sei und dabei das Auto gesteuert habe. Sie habe dementsprechend nach Rückkehr zur Wohnung des Kl. den Wagen am Straßenrand abgestellt. Der Senat hält die Angaben der Zeugin für plausibel. (wird ausgeführt)
bb) Zwar hat die Zeugin nicht auch bestätigen können, dass der versicherte Wagen am Folgetag, dem 14.11.2010 nicht mehr aufzufinden war. Dieser Beweis ist dem Kl. jedoch im Wege seiner persönlichen Angaben gelungen. Dem VN, dem keine bzw. nur unzureichende Beweismittel für den Nachweis des äußeren Bildes einer Entwendung zur Verfügung stehen, steht der Weg offen, im Rahmen seiner persönlichen Anhörung dem Gericht die notwendige Überzeugung von einer bedingungsgemäßen Entwendung zu verschaffen. Auf die Angaben des VN lässt sich die gerichtliche Überzeugung nur dann nicht stützen, wenn die Vermutung seiner Redlichkeit vom VR erschüttert worden ist (vgl. BGH VersR 1996, 575, juris-Rn 10). Dies ist hier nicht der Fall.
Der Kl. hat geschildert, dass er am Sonntagmorgen auf dem Weg zum Brötchenholen bemerkt habe, dass das versicherte Fahrzeug sich nicht mehr dort befand, wo es am Vortag abgestellt worden war. Nachvollziehbar hat er angegeben, zunächst die Zeugin L danach befragt zu haben, ob diese den Wagen umgeparkt habe. Dies hatte die Zeugin im Übrigen in ihrer Vernehmung bestätigt. Als die Zeugin dies verneint habe, sei ihm klar geworden, dass das Fahrzeug von einem unbekannten Dritten weggeschafft worden sein musste.
Der Senat hat keinen Anlass, am Wahrheitsgehalt dieser Angaben zu zweifeln. Insb. sind die von der Bekl. vorgebrachten Tatsachen nicht geeignet, die zugunsten des Kl. sprechende Redlichkeitsvermutung zu erschüttern. Soweit sich die Bekl. auf die unstreitigen Falsch- bzw. Fehlangaben in der Schadenanzeige vom 11. bzw. 24.1.2011 beruft, sind diese nicht geeignet, Zweifel an der Redlichkeit des Kl. aufkommen zu lassen. Unstreitig hatte der Kl. die Schadenanzeige...