Die Umstände des Einzelfalls sprechen hier wohl in der Tat gegen den Ansatz der Mittelgebühren (vgl. hierzu auch Burhoff, RVG in Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl. 2014, Vorbem. 5 VV RVG Rn 58 ff.; AnwKomm-RVG/N. Schneider, 7. Aufl. 2013, Vorbem. 5 VV RVG Rn 64 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, Einl. Teil 5 VV RVG Rn 19; Burhoff, RVGreport 2005, 361 und RVGreport 2007, 252 sowie RVGreport 2014, 140; Burhoff, StraFo 20014, 273; Hansens, RVGreport 2006, 210; Jungbauer, DAR 2007, 56; mit Vorsicht zu genießen sind die Ausführungen von Pfeiffer, DAR 2006, 653, die die Sicht der Rechtsschutzversicherungen darstellen).

Von allgemeiner Bedeutung sind jedoch die zutreffenden Ausführungen des LG Saarbrücken, auch in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren sei zunächst von der Mittelgebühr auszugehen. Dies sehen viele Gerichte ebenso (neben dem LG Saarbrücken hier und RVGreport 2013, 53 etwa LG Leipzig RVGreport 2010, 182; LG Kiel zfs 2007, 106 m. Anm. Hansens; AG München RVGreport 2005, 381 und DAR 2013, 86; AG Viechtach RVGreport 2006, 341; AG Saarbrücken RVGreport 2006, 181; AGS 2006, 113 m. Anm. N. Schneider; AG Darmstadt AGS 2006, 212 m. Anm. N. Schneider; AG Pinneberg AGS 2005, 252; AG Saarlouis RVGreport 2013, 464 = zfs 2013 710 m. Anm. Hansens). Andere Gerichte vertreten jedoch systemwidrig die Auffassung, die Anwaltsgebühren in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldsachen seien von vornherein unterhalb der jeweiligen Mittelgebühren anzusiedeln (so etwa LG Hannover RVGreport 2008, 182 und RVGreport 2012, 26; LG Dresden RVGreport 2010, 454; LG Deggendorf RVGreport 2006, 341; LG Dortmund RVGreport 2005, 465).

Dem gilt es entgegenzutreten. Verkehrsrechtliche Bußgeldverfahren sind nicht per se unterdurchschnittlich zu vergüten. Für diese Annahme findet sich im RVG keine gesetzliche Grundlage. Vielmehr ist auch bei der Bemessung der Anwaltsgebühren in diesen Verfahren zunächst einmal von den Mittelgebühren auszugehen. Aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls hat dann der Rechtsanwalt zu prüfen, ob er nach dem ihm gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG eingeräumten billigen Ermessen im Einzelfall eine Rahmengebühr oberhalb oder unterhalb der Mittelgebühr oder in Höhe der Mittelgebühr bestimmt. Dabei ist ihm ein Ermessensspielraum von 20 % – auch als Toleranzgrenze bezeichnet – eingeräumt (s. allgemein BGH RVGreport 2011, 136 = AGS 2011, 120; RVGreport 2012, 258 = zfs 2012, 402 m. Anm. Hansens).

Der Rechtsanwalt sollte deshalb im Festsetzungsantrag oder in einem beigefügten Schriftsatz kurz die konkreten Umstände angeben, die ihn zur Bestimmung der jeweiligen geltend gemachten Gebühr veranlasst haben. Unterbleiben solche Angaben, wird es den Gerichten leicht gemacht, die Gebührenhöhe herabzusetzen.

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens

zfs 10/2014, S. 586 - 588

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