StVG § 3 Abs. 1; FeV § 46 Abs. 1; FeV Anlage 4 Nr. 8.4; VwVfG § 46
Leitsatz
Wird bei einem Fahrerlaubnisinhaber, bei dem Gammaalkoholismus diagnostiziert worden und der bereits mehrfach rückfällig geworden ist, erneut Alkoholkonsum nachgewiesen, entfällt i.d.R. die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 24.7.2014 – 12 ME 105/14
Sachverhalt
Der ASt. wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch Bescheid des AG v. 26.2.2014.
Ein medizinisch-psychologisches Gutachten des TÜV Nord kam 2004 angesichts der langen, bereits 1982 beginnenden Alkoholvorgeschichte, die nach Entgiftungen und langen Abstinenzzeiten immer wieder von Rückfällen geprägt war, zu dem Ergebnis, es stehe zu erwarten, dass der ASt. zukünftig ein Kfz unter Alkoholeinfluss führen werde. 2005 legte der ASt. ein Gutachten des Facharztes D. v. 13.9.2005 vor. Dieses kam zu dem Ergebnis, es liege beim ASt. Alkoholismus vom Typ Gammaalkoholismus vor. Es hätten sich bei der Untersuchung deutliche Zeichen der körperlichen und psychischen Abhängigkeit gefunden, aber keine körperlichen Veränderungen, die das sichere Führen eines Kfz in Frage stellten. Der ASt. lebe abstinent und die Motivation zu einer Abstinenz sei glaubwürdig und erprobt worden. Unter der Voraussetzung, dass angesichts der langfristigen Alkoholvorgeschichte eine Nachkontrolle stattfände, sei gutachterlich gegen eine erneute Erteilung der Fahrerlaubnis nichts einzuwenden. Daraufhin erteilte der AG dem ASt. am 21.10.2005 die Fahrerlaubnis unter der Auflage wieder, innerhalb eines Jahres vier (weitere) Leberwertkontrollen durchzuführen und sich einer Nachuntersuchung nach Ablauf eines Jahres zu unterziehen. In der 2006 durchgeführten Nachuntersuchung des ASt. kam D. zu dem Ergebnis, dass dem ASt. die erteilte Fahrerlaubnis belassen werden könne, da die Laborwerte und die Untersuchung dafür sprächen, dass er weiter abstinent gelebt habe. Der ASt. habe sein Alkoholproblem verstanden, stehe dazu, dass er Alkoholiker sei und habe sein persönliches Leben neu geregelt und eine stabile Beziehung aufgebaut.
Am 7.12.2013 kam es zu einem Verkehrsunfall des ASt. Der aufnehmende PK E. bemerkte beim ASt. Alkoholgeruch und eine schleppende Aussprache. Ausweislich des Vermerks des PK F. v. 7.3.2013 wurde beim ASt. eine Atemalkoholkonzentration von 1,68 Promille festgestellt und erklärte dieser nach Belehrung, er habe "am gestrigen Abend, Freitag, dem 6.12.2013, gefeiert … Er habe eine halbe Flasche Bacardi getrunken. Die hohe AAK konnte er sich nicht erklären." Die dem ASt. nach richterlicher Anordnung abgenommene Blutprobe, ergab einen Blutalkoholgehalt von 0,13 Gramm Promille. Die Blutprobe war nach telefonischer Auskunft des Labors allerdings auffällig und als fehlerhaft zu bewerten.
Daraufhin entzog der AG nach Anhörung mit Bescheid v. 26.2.2014 die Fahrerlaubnis des ASt. und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme an.
Das VG hat den Antrag des ASt., die aufschiebende Wirkung der dagegen erhobenen Klage wiederherzustellen abgelehnt.
2 Aus den Gründen:
" … II. Die gegen den Beschluss des VG erhobene Beschwerde hat keinen Erfolg."
Der ASt. macht geltend, mit Ausnahme der durch die Blutprobe nachgewiesenen BAK von 0,13 Promille seien die übrigen Angaben aus der Ermittlungsakte nicht verwertbar. Der Wert der Atemalkoholkonzentration sei nicht mit einer gerichtsverwertbaren Aufzeichnung versehen und seine Angaben seien nur indirekt, nämlich durch den Vermerk des Polizisten wiedergegeben. Darüber hinaus habe er (der ASt.) seine diesbezüglichen Angaben widerrufen. Das Ermittlungsverfahren gegen ihn sei daher zutreffend eingestellt worden. Aus diesem Grund habe der AG allenfalls Auflagen zur Klärung von Fahreignungszweifeln anordnen, ihm jedoch nicht sofort die Fahrerlaubnis entziehen dürfen. Zudem sei das Verfahren formal fehlerhaft, da er bzw. sein Prozessbevollmächtigter vor der Entscheidung keine Gelegenheit erhalten habe, Akteneinsicht zu nehmen. Letztlich habe berücksichtigt werden müssen, dass die letzte Trunkenheitsfahrt 2003 erfolgt sei und er 2006 die Fahreignung wiedererlangt habe. Diese könne ihm nun nicht mehr ohne Weiteres entzogen werden.
Diese zur Begründung des Rechtsmittels dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gem. § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass, die Entscheidung des VG zu ändern.
Nach § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 3 FeV ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kfz erweist. Nach Nr. 8.3 des Anhangs 4 zur FeV besitzen Personen, die alkoholabhängig sind, die Fahreignung nicht. Eine Alkoholfahrt oder eine sonstige Verbindung zum Straßenverkehr ist insoweit nicht erforderlich. Ein Abhängigkeitssyndrom liegt nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) vor, wenn eine Gruppe von Verhaltens-, kognitiven und körperlichen Phänomenen best...