RVG § 15 § 22; VV RVG Nr. 2300
Leitsatz
Ein Rechtsanwalt kann die Gebühr gem. Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) auch dann nur einmal aus dem Gesamtgegenstandswert und nicht zweimal aus (dann niedrigeren) Teilgegenstandswerten verlangen, wenn die von ihm für seinen Mandanten geltend gemachte Forderung außergerichtlich nur teilweise erfüllt wird und ihm deshalb für den noch offenen Teil der Forderung Klageauftrag erteilt wird.
BGH, Urt. v. 20.5.2014 – VI ZR 396/13
Sachverhalt
Die Kl. beauftragte im Februar 2012 ihren späteren Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Regulierung der Folgen eines Verkehrsunfalls, für dessen Schäden die Bekl. unstreitig aufzukommen hatten. Der RA machte den der Kl. entstandenen Fahrzeugschaden, ihre Gutachter-, Mietwagen-, Ummeldungs- und Abschleppkosten sowie die allgemeine Kostenpauschale i.H.v. insg. 8.721,45 EUR gegenüber den jetzigen Bekl. außergerichtlich geltend. Auf die anwaltliche Zahlungsaufforderung regulierte die Bekl. zu 3 als Haftpflichtversicherer den Schaden i.H.v. insg. 5.702,41 EUR. Außerdem ersetzte sie der Kl. deren außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 555,61 EUR, wobei sie der Abrechnung eine 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 5.702,41 EUR zzgl. Auslagen und USt. zugrunde legte. Unter Berücksichtigung der üblichen Auslagen ergibt sich insoweit folgende Berechnung:
1. |
1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 5.702,41 EUR) |
439,40 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
3. |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG |
87,29 EUR |
|
Summe |
546,69 EUR |
Woraus sich die Differenz zu den in den vom BGH mitgeteilten 555,61 EUR ergibt, lässt sich nicht nachvollziehen. Hieraufhin machte die Kl. durch ihren Rechtsanwalt vor dem AG M die restlichen Schadensersatzansprüchen i.H.v. 3.019,04 EUR zzgl. weiterer außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 359,50 EUR geltend, die sie wie folgt berechnet hat:
1. |
1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 3.019,04 EUR) |
282,10 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
3. |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG |
57,40 EUR |
|
Summe |
359,50 EUR |
Nach Zustellung der Klage erfüllte die Bekl. zu 3 die Hauptforderung der Bekl. voll. Auf die geltend gemachten Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung zahlte sie weitere 162,79 EUR. Ihrer Berechnung legte sie eine 1,3 Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 8.721,45 EUR nebst Postentgeltpauschale und USt. zugrunde. Vom Gesamtbetrag zog die Bekl. zu 3 dann die vorprozessual erbrachte Zahlung ab.
1. |
1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 8.721,45 EUR) |
583,70 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
3. |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG |
114,70 EUR |
|
Summe |
718,40 EUR |
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abzgl. gezahlter |
– 555,61 EUR |
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Restbetrag |
162,79 EUR |
Die restlichen Anwaltskosten i.H.v. (eingeklagte 359,50 EUR abzüglich gezahlter 162,79 EUR =) 196,71 EUR nebst Zinsen waren Gegenstand des Rechtsstreits. Das AG M hat der Klage stattgegeben. Das LG M hat auf die zugelassene Berufung der Bekl. die Klage abgewiesen. Die zugelassene Revision hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[9] "… II. 2. a) Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist nach st. höchstrichterlicher Rspr. zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch im geltend gemachten Umfang ist grds., dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und dass die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (BGH RVGreport 2011, 15 (Hansens); NJW 2011, 2591)."
[10] II 2. b) Zu Recht geht das BG davon aus, dass der Kl. die streitgegenständlichen weiteren vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten im Innenverhältnis zu ihrem Rechtsanwalt nicht entstanden sind. Auf der Grundlage der bis zum 31.7.2013 gültigen Gebührentabelle belaufen sich die der Kl. durch die vorgerichtliche Tätigkeit ihres späteren Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten auf 718,40 EUR. Sie setzen sich aus 1,3 Gebühren nach Nr. 2300 VV bei einem Gegenstandswert von bis zu 9.000 EUR, der Post- und Kommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV sowie Umsatzsteuer zusammen. Dieser Betrag wurde der Kl. von der Bekl. zu 3 bereits erstattet.
[11] c) Unzutreffend ist die Auffassung der Revision, durch die vorgerichtliche Tätigkeit ihres späteren Prozessbevollmächtigten seien nicht 1,3 Gebühren aus einem Gegenstandswert von bis zu 9.000 EUR, sondern einmal 1,3 Gebühren aus einem Gegenstandswert von bis zu 6.000 EUR und zusätzlich 1,3 Gebühren aus einem Gegenstandswert von bis zu 3.500 EUR, jeweils zzgl. Auslagen und USt., angefallen.
[12] aa) Ob die Gebühren für die Inanspruchnahme ...