VVG § 5a a.F.; BGB § 812 § 818
Leitsatz
Zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen nach Widerspruch gem. § 5a VVG a.F.
BGH, Urt. v. 29.7.2015 – IV ZR 384/14
Sachverhalt
Die klagenden Eheleute fordern von der Bekl. Rückzahlung von Versicherungsprämien und Nutzungsersatz nach Widerruf zweier Lebens- bzw. im Policenmodell abgeschlossene Rentenversicherungsverträge.
Die Widerspruchsbelehrung lautete wie folgt:
"WIDERSPRUCHSRECHT"
Wie Ihnen bereits aufgrund unseres Hinweises im Versicherungsantrag bekannt ist, können Sie innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Versicherungsvertrag widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“
In der Folgezeit erbrachten der Kl. Beitragszahlungen i.H.v. 33.841,79 EUR (32.025,33 EUR für die Hauptversicherung und 1.816,46 EUR für die BUZ) und die Kl. i.H.v. 27.000 EUR.
Mit Schreiben v. 9.8.2012 kündigten die Kl. ihre Verträge. Daraufhin zahlte die Bekl. Rückkaufswerte i.H.v. 21.588,70 EUR an den Kl. und i.H.v. 21.596,70 EUR an die Kl. Mit Schreiben v. 7.9.2013 forderten die Kl. die Bekl. zur verzinslichen Rückerstattung aller geleisteten Beiträge unter Anrechnung der Rückkaufswerte mit Fristsetzung zum 25.9.2013 auf; mit Schreiben v. 8.9.2013 erklärten sie unter anderem den Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. Am 12.2.2014 erstattete die Bekl. zunächst einbehaltene Stornoabzüge i.H.v. 1.975,77 EUR an den Kl. und i.H.v. 1.620,01 EUR an die Kl.
Mit der Klage verlangen die Kl. – soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung – Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich der bereits gezahlten Rückkaufswerte. Der Kl. hat 12.741,02 EUR nebst Zinsen und weitere Zinsen i.H.v. 13.251,44 EUR nebst Zinsen gefordert, die Kl. Zahlung von 5.403,30 EUR nebst Zinsen und weitere Zinsen i.H.v. 11.434,63 EUR.
2 Aus den Gründen:
[23] "… 1. Zu Recht hat das BG den Kl. Bereicherungsansprüche zuerkannt."
[24] a) Die zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsverträge schaffen keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlungen. Sie sind infolge der Widersprüche der Kl. nicht wirksam zustande gekommen. Die Widersprüche waren ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist rechtzeitig.
[25] aa) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des BG belehrte die Bekl. die Kl. nicht ordnungsgemäß i.S.v. § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht.
[26] (1) Die den Kl. in den Policenbegleitschreiben v. 14.11.2003 erteilten Widerspruchsbelehrungen sind bereits insofern inhaltlich fehlerhaft, als sie keinen Hinweis darauf enthalten, dass der Widerspruch in Textform zu erheben war. Die notwendige Belehrung über das gesetzliche Formerfordernis (vgl. Senat VersR 2004, 497 unter 3 b) erfolgte entgegen der Auffassung der Revision nicht dadurch, dass den Kl. weiterhin mitgeteilt wurde, zur Fristwahrung genüge die rechtzeitige “Absendung‘ der Widerspruchserklärung (Senatsurt. v. 17.6.2015 – IV ZR 426/13). Selbst wenn ein verständiger VN nur verkörperte Erklärungen als der Absendung zugänglich ansieht, so bleibt für ihn dennoch unklar, ob hierzu eine Verkörperung in Textform ausreicht oder ob es nicht der traditionellen Schriftform bedarf. Dass dem VN, wie die Revision in Erwägung zieht, durch die Belehrung über den gesetzlichen Standard hinausgehend die Möglichkeit eines Widerspruchs in mündlicher Form eingeräumt werden sollte, ist ihrem Text nicht zu entnehmen.
[27] (2) Außerdem ist – wie das BG zutreffend ausgeführt hat – die Mitteilung des Fristbeginns unzureichend und damit fehlerhaft, weil die erteilten Belehrungen hierfür entgegen § 5a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 VVG a.F. allein auf den Erhalt des Versicherungsscheins, nicht aber auch der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation abstellten. Insoweit ist, anders als die Revision meint, ohne Belang, ob den Kl. zusammen mit den Versicherungsscheinen auch die übrigen erforderlichen Unterlagen zugingen und der Fristbeginn in der Belehrung damit faktisch richtig angegeben worden war. Dieser Umstand ändert nichts an der inhaltlichen Fehlerhaftigkeit der Belehrung, sondern betrifft allein die Auswirkung derselben auf den konkreten Fall. Für die Frage der Ordnungsgemäßheit der Belehrung kommt es auf derartige Kausalitätsfragen nicht an (vgl. BGHZ 121, 52, 57).
[28] bb) Für einen solchen Fall einer nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung bestimmte § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.
[29] (1) Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des EuGH v. 19.12.2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urt. v. 7.5.2014 (BGHZ 201, 101) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinien-konform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass...