ZPO §§ 103 ff.
Leitsatz
1. Materiell-rechtliche Einwendungen wie eine Abgeltungsklausel sind grds. nicht im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen, sondern außerhalb dieses Verfahrens geltend zu machen.
2. Aus verfahrensökonomischen Gründen können materiell-rechtliche Einwendungen ausnahmsweise im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden, wenn sie keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären lassen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
BAG, Beschl. v. 30.6.2015 – 10 AZB 17/15
Sachverhalt
Der Kl. hatte sich mit seiner Klage gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Bekl. gewandt. Das ArbG Leipzig gab der unter dem Az. 2 Ca 3972/12 geführten Klage statt. Die Berufung der Bekl. hat das Sächs. LAG unter dem Az. 9 Sa 203/13 auf Kosten der Bekl. als unzulässig verworfen. Die Rechtspflegerin des ArbG Leipzig hat hieraufhin die von der Bekl. an den Kl. zu erstattenden Kosten auf 949,14 EUR festgesetzt.
Mit ihrer hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat die Bekl. geltend gemacht, aufgrund des in dem weiteren unter dem Az. 5 Ca 1821/14 geführten Kündigungsrechtsstreit der Parteien vor dem ArbG Leipzig geschlossenen Vergleichs sei sie nicht mehr zur Erstattung der Kosten aus dem Ausgangsverfahren verpflichtet. In Nr. 4 dieses am 17.6.2014 in dem zweiten Verfahren geschlossenen Vergleichs heißt es:
"Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind alle wechselseitigen finanziellen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung, gleich ob bekannt oder unbekannt, abgegolten und erledigt. Erledigt ist auch der vorliegende Rechtsstreit."
Das ArbG Leipzig hat der sofortigen Beschwerde der Bekl. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss nicht abgeholfen und sie dem LAG zur Entscheidung vorgelegt. Das Sächs. LAG hat die sofortige Beschwerde der Bekl. zurückgewiesen. Auch die zugelassene Rechtsbeschwerde der Bekl. hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[6] "… B. Die Rechtsbeschwerde der Bekl. ist unbegründet."
[7] Das LAG hat im Ergebnis zu Recht die sofortige Beschwerde der Bekl. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des ArbG zurückgewiesen. Die Unbegründetheit der sofortigen Beschwerde folgt allerdings bereits daraus, dass materiell-rechtliche Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren grds. nicht berücksichtigt werden können und entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts kein diesbezüglicher Ausnahmefall vorliegt.
[8] I. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht angenommen, dass materiell-rechtliche Einwendungen, wie die Abgeltungsklausel aus dem späteren Vergleich der Parteien, außerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens geltend zu machen sind. Denn dieses Verfahren, das mit dem Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses endet, ist eine Umsetzung der zwischen den Parteien ergangenen Kostengrundentscheidung. Es hat allein die Frage zum Gegenstand, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten ist. Deshalb ist das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und aus diesem Grund auf den Rechtspfleger übertragen. Die Klärung von zwischen den Parteien streitigen Tatsachen und von komplizierteren Rechtsfragen ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich. Materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch sind daher grds. nicht zu berücksichtigen. Diese sind vielmehr vorrangig mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen (vgl. BGH RVGreport 2014, 318 (Hansens) = AGS 2014, 296: Aufrechnung; Stein/Jonas/Bork, 22. Aufl., § 104 ZPO Rn 14; MüKoZPO/Schulz, 4. Aufl., § 104 Rn 34).
[9] II. Aus verfahrensökonomischen Gründen kann es allerdings angezeigt sein, den Kostenerstattungsschuldner nicht auf die – einen ungleich höheren Aufwand erfordernde – Vollstreckungsgegenklage zu verweisen, wenn es um materiell-rechtliche Einwendungen geht, die keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären lassen. Das kann etwa der Fall sein, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen feststehen, weil sie unstreitig sind oder vom Rechtspfleger im Festsetzungsverfahren ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können. Solche Einwendungen können deshalb ausnahmsweise auch im Kostenfestsetzungsverfahren erhoben und beschieden werden (vgl. BGH RVGreport 2014, 318).
[10] III. Ein solcher Ausnahmefall ist hier entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht gegeben.
[11] 1. Die Bekl. beruft sich gegen den Kostenerstattungsanspruch des Kl. aus dem Ausgangsrechtsstreit auf einen Vergleich der Parteien in einem Folgerechtsstreit und dessen nach ihrer Ansicht maßgebliche Auslegung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG. Dieser Vergleich, dessen Auslegung durch die Bekl. der Kl. unter Bezugnahme auf umfangreiche eigene Erwägunge...