"Diese Beweislasterleichterung zugunsten des Verbrauchers beruht auf der Feststellung, dass sich in Fällen, in denen die Vertragswidrigkeit erst nach dem Zeitpunkt der Lieferung des Gutes offenbar wird, die Erbringung des Beweises, dass diese Vertragswidrigkeit bereits zu diesem Zeitpunkt bestand, als “eine für den Verbraucher unüberwindbare Schwierigkeit‘ erweisen kann, während es i.d.R. für den Gewerbetreibenden viel leichter ist zu beweisen, dass die Vertragswidrigkeit nicht zum Zeitpunkt der Lieferung bestand und dass sie beispielsweise auf unsachgemäßen Gebrauch durch den Verbraucher zurückzuführen ist" (vgl. die Begründung des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbrauchsgüterkauf und -garantien, KOM[95] 520 endg., S. 14).
Die Verteilung der Beweislast, die Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 vornimmt, ist gem. Art. 7 dieser Richtlinie sowohl für die Parteien, die davon nicht durch eine Vereinbarung abweichen dürfen, als auch für die Mitgliedstaaten, die auf ihre Einhaltung achten müssen, unabdingbar. Daraus ergibt sich, dass diese Beweislastregel auch dann anzuwenden ist, wenn sich der Verbraucher, dem sie zugutekommen kann, nicht ausdrücklich auf sie berufen hat.
In Anbetracht von Natur und Bedeutung des öffentlichen Interesses, auf dem der Schutz beruht, den Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 für den Verbraucher sicherstellt, ist diese Bestimmung als eine Norm zu betrachten, die den nationalen Bestimmungen, die im innerstaatlichen Recht zwingend sind, gleichwertig ist. Daraus folgt, dass das nationale Gericht, sofern es im Rahmen seines nationalen Rechtspflegesystems über die Möglichkeit verfügt, eine solche Norm von Amts wegen anzuwenden, von Amts wegen jede Bestimmung seines innerstaatlichen Rechts anwenden muss, die diesen Art. 5 Abs. 3 umsetzt (vgl. i.d.S. Urteil Asturcom Telecomunicaciones, C–40/08, EU:C:2009:615, Rn 52 bis 54 und die dort angeführte Rspr.).
[Hieran anknüpfend führte der EuGH zur Beweislastverteilung im Rahmen des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie folgendes aus:]
Wie in Rn 53 dieses Urteils festgestellt worden ist, normiert diese Bestimmung eine Abweichung von dem Grundsatz, wonach es dem Verbraucher obliegt, die in Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie festgelegte Vermutung der Vertragsmäßigkeit des verkauften Gutes zu widerlegen und den Beweis der von ihm behaupteten Vertragswidrigkeit zu erbringen.
Falls die Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar wird, erleichtert Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 die dem Verbraucher obliegende Beweislast, indem er für diesen Fall die Vermutung aufstellt, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestand.
Um diese Beweiserleichterung in Anspruch nehmen zu können, muss der Verbraucher jedoch das Vorliegen bestimmter Tatsachen nachweisen.
Erstens muss der Verbraucher vortragen und den Beweis erbringen, dass das verkaufte Gut nicht vertragsgemäß ist, da es z.B. nicht die im Kaufvertrag vereinbarten Eigenschaften aufweist oder sich nicht für den Gebrauch eignet, der von einem derartigen Gut gewöhnlich erwartet wird. Der Verbraucher muss nur das Vorliegen der Vertragswidrigkeit beweisen. Er muss weder den Grund für die Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass sie dem Verkäufer zuzurechnen ist.
Zweitens muss der Verbraucher beweisen, dass die in Rede stehende Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar geworden ist, also sich ihr Vorliegen tatsächlich herausgestellt hat.
Wenn diese Tatsachen nachgewiesen sind, ist der Verbraucher vom Nachweis befreit, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand. Das Auftreten dieser Vertragswidrigkeit in dem kurzen Zeitraum von sechs Monaten erlaubt die Vermutung, dass sie zum Zeitpunkt der Lieferung “zumindest im Ansatz‘ bereits vorlag, auch wenn sie sich erst nach der Lieferung des Gutes herausgestellt hat (vgl. die Begründung des Vorschlags für eine Richtlinie, KOM[95] 520 endg., S. 14).
Es ist dann also Sache des Gewerbetreibenden, ggf. den Beweis zu erbringen, dass die Vertragswidrigkeit zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes noch nicht vorlag, indem er dartut, dass sie ihren Grund oder Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach dieser Lieferung hat.
Falls es dem Verkäufer nicht gelingt, rechtlich hinreichend nachzuweisen, dass der Grund oder Ursprung der Vertragswidrigkeit in einem Umstand liegt, der erst nach der Lieferung des Gutes eingetreten ist, erlaubt die in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 aufgestellte Vermutung dem Verbraucher, seine Rechte aus der Richtlinie geltend zu machen.“