1. Die Entscheidung legt einen Streit zwischen großen Teilen der Literatur und Instanzrechtsprechung einerseits und der st. Rspr. des BGH zur Reichweite der Vermutungswirkung des § 476 BGB bei. § 476 BGB wurde in Umsetzung des Art. 5 Abs. 3 VerbrGKRl in das BGB eingefügt. Regelungsgegenstand war die vor allem bei dem Kauf gebrauchter Kfz keineswegs seltene Konstellation, dass sich an dem Kaufgegenstand innerhalb einer Frist von sechs Monaten eine konkrete Mangelerscheinung zeigte und geprüft werden musste, ob das geeignet war, unter Berücksichtigung einer Vermutungswirkung des § 476 BGB davon auszugehen, dass die Ursache dieses Mangels bereits bei Gefahrübergang – der Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Käufer – vorlag und damit zu seinen Gunsten Gewährleistungsansprüche auslöse. Recht überraschend tratder BGH der Auslösung der Annahme eines solchen einfachen und darüber hinaus verbraucherfreundlichen Automatismus entgegen. Vielmehr ging der BGH in st. Rspr. davon aus, dass zwischen einem latenten Mangel – dem sog. Grundmangel, der bereits bei Gefahrübergang vorgelegen haben müsse – und dem sog. akuten Mangel – der konkreten Mangelerscheinung, die in dem Zeitraum von sechs Monaten ab dem Gefahrübergang sich gezeigt habe – zu unterscheiden sei. Der Käufer müsse, um sich die Gewährleistungsansprüche zu erhalten, den ihm durch § 476 BGB nicht abgenommenen Nachweis dafür führen, dass ein solcher Grundmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs bereits vorgelegen habe und in einer Ursachenkette zu dem akuten Mangel geführt habe. Dadurch beschränkt sich die Vermutungswirkung des § 476 BGB auf eine solche mit zeitlicher Wirkung (vgl. BGH NJW 2004, 2299; BGH NJW 2009, 580; BGH NJW 2014, 1086 Rn 21).
2. Diese eingeschränkte Vermutungswirkung setzte sich in Gegensatz zu den Erwägungen des Gesetzgebers, der für eine weite Vermutungswirkung eintrat, weil der Unternehmer ungleich bessere Möglichkeiten zur Erkenntnis der Ursache des akuten Mangels habe, was für eine umfassende Vermutungswirkung des § 476 BGB spreche (vgl. Begr. RegE, BT-Drucks 14/6040, 245; vgl. auch Fischinger, NJW 2009, 563, 565 f). Das aufgrund der Rspr. gewonnene Ergebnis der eingeschränkten Vermutungswirkung des § 476 BGB, das dem Käufer den kaum zu führenden Nachweis des Vorliegens eines latenten Sachmangels zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs auferlegte, wurde von kritischen Stimmen der Instanzrechtsprechung und der Literatur als "sensationelles Ergebnis" (vgl. Reinking, DAR 2004, 550) angesehen und abgelehnt (vgl. OLG Brandenburg DAR 2009, 92; MüKo-BGB/Lorenz, 6. Aufl., § 476 Rn 4; ders., DAR 2015, 455; Loschelders/Benzenberg, VersR 2005, 233 f.). Die mit dem Nachweis einer Ursachenkette zwischen latentem und akutem Mangel verbundenen Schwierigkeiten des Verbrauchers und Käufers zur Erhaltung seiner Gewährleistungsrechte ließen den § 476 BGB weitgehend leer laufen (Lorenz, DAR 2015, 454). Hinzu kommt, dass weder in Art. 5 Abs. 3 VerbrGKl. noch in § 476 BGB die von dem BGH angenommene Unterscheidung zwischen akutem und latentem Mangel angelegt ist. Im Übrigen war in anderen Mitgliederstaaten der EU eine Unterscheidung zwischen Grundmangel und akutem Mangel bei der Auslegung der jeweils auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 3 VerbrGKl. in nationales Recht umgesetzten, dem § 476 BGB entsprechenden Vermutungsregelungen nicht angenommen worden (vgl. Rühl, RabelsZ 73 (2009), 912, 933; Grüber, ZEuP 2010, 651, 657 ff.).
Die Frage, ob der BGH danach gehalten war, zur Prüfung der Richtlinienkonformität seiner engen Auslegung des § 476 BGB diese dem EuGH hätte vorlegen müssen (dafür Rühl, a.a.O.; Gruber, a.a.O.: Lorenz, MüKo a.a.O. Rn 4; vgl. auch Graf von Westphalen, BB 2008, 2, 7), ist durch die auf die Vorlage des Gerichtshofs Arnheim-Leeuwarden ergangene Entscheidung des EuGH überholt.
3. Die Entscheidung des EuGH hat die Wirkung, dass § 476 BGB in der Weise auszulegen ist, dass die Vermutung den Inhalt hat, dass vorbehaltlich der Frage, ob die Art des Mangels oder der Sache mit der Vermutung unvereinbar ist, bei Auftreten eines akuten Mangels vermutet wird, dass bereits bei Gefahrübergang ein latenter Mangel vorlag (vgl. Lorenz, Vorschlag zur Textfassung des § 476 BGB, DAR 2015, 455).
Dem Verkäufer bleibt die freilich nicht sonderlich aussichtsreiche Möglichkeit erhalten, Rückschlüsse auf das Fehlen eines latenten Mangels im Zeitpunkt des Gefahrübergangs zu führen (vgl. auch BGH DAR 2006, 259). Die damit verbundene Pflicht nationaler Gerichte zur Änderung der Auslegung des § 476 BGB i.S.d. verbindlichen Vorgabe des EuGH ergibt sich aus der damit gebotenen richtlinienkonformen Auslegung, die aus der mitgliedsstaatlichen Umsetzungspflicht des Art. 288 Abs. 3 AEUV i.V.m. Art. 19 Abs. 1 S. 2 EUV folgt (vgl. Himmelmann, DöV 1996, 145; Herrmann, Richtlinienumsetzung durch die Rspr. 2003, 113; vgl. auch BGH NJW 2009, 427, 430).
4. Die von dem EuGH damit vorgenommene Verschiebung der Beweislast auf den Verkäufer für den Nachweis des Fehlens eines latenten Mangels im Zei...