Richtl. 1999/44 EG Art. 5 Abs. 3; BGB § 476
Leitsatz
Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 ist dahin auszulegen, dass die Regel, wonach vermutet wird, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand,
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zur Anwendung gelangt, wenn der Verbraucher den Beweis erbringt, dass das verkaufte Gut nicht vertragsgemäß ist und dass die fragliche Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar geworden ist, d.h., sich ihr Vorliegen tatsächlich herausgestellt hat. Der Verbraucher muss weder den Grund der Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass deren Ursprung dem Verkäufer zuzurechnen ist, |
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von der Anwendung nur dadurch ausgeschlossen werden kann, dass der Verkäufer rechtlich hinreichend nachweist, dass der Grund oder Ursprung der Vertragswidrigkeit in einem Umstand liegt, der nach der Lieferung des Gutes eingetreten ist. |
EuGH, Urt. v. 4.6.2015 – C 497/13
Sachverhalt
Das von der Kl. in den Niederlanden gekaufte Gebrauchtfahrzeug fing vier Monate nach der Übergabe während der Fahrt Feuer und brannte vollständig aus. Die Ursache des Brandes konnte nicht festgestellt werden. Die Kl. machte gegen die Verkäuferin Gewährleistungsrechte geltend. Das niederländische Gericht legte dem EuGH einige Fragen zur Auslegung der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 25.5.1999 zu bestimmten Fragen des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter vor. Der EuGH bejahte die Frage, dass die Verbrauchereigenschaft eines Käufers von Amts wegen zu berücksichtigen sei und legte Art 5 Abs. 3 der VerbrGKRl hinsichtlich der Beweislastverteilung aus. Diese Bestimmung ordnete an, dass bei Vertragswidrigkeiten beim Verbrauchsgüterkauf, die binnen sechs Monaten nach der Ablieferung des Gutes offenbar werden, widerleglich vermutet wird, dass diese bereits im Zeitpunkt der Lieferung bestanden, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art des Gutes oder der Art der Vertragswidrigkeit unvereinbar.
Der EuGH setzte sich mit der in dem Haftungssystem der Richtlinie 1999/44 in Art. 2 Abs. 2 begründeten widerlegbaren Vermutung der Vertragsgemäßheit des Kaufgegenstandes auseinander und der hieran anknüpfenden Bestimmung des Art. 3 Abs. 1, dass der Verkäufer für jede vertragswidrigen Umstände hafte, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsgutes bestehen (Rn 53). Der EuGH geht bei seiner Einordnung der Reichweite des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie davon aus, dass bei Auftreten einer Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Kaufgegenstandes vermutet wird, dass diese schon zum Zeitpunkt der Lieferung bestand.
2 Aus den Gründen:
"Diese Beweislasterleichterung zugunsten des Verbrauchers beruht auf der Feststellung, dass sich in Fällen, in denen die Vertragswidrigkeit erst nach dem Zeitpunkt der Lieferung des Gutes offenbar wird, die Erbringung des Beweises, dass diese Vertragswidrigkeit bereits zu diesem Zeitpunkt bestand, als “eine für den Verbraucher unüberwindbare Schwierigkeit‘ erweisen kann, während es i.d.R. für den Gewerbetreibenden viel leichter ist zu beweisen, dass die Vertragswidrigkeit nicht zum Zeitpunkt der Lieferung bestand und dass sie beispielsweise auf unsachgemäßen Gebrauch durch den Verbraucher zurückzuführen ist" (vgl. die Begründung des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbrauchsgüterkauf und -garantien, KOM[95] 520 endg., S. 14).
Die Verteilung der Beweislast, die Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 vornimmt, ist gem. Art. 7 dieser Richtlinie sowohl für die Parteien, die davon nicht durch eine Vereinbarung abweichen dürfen, als auch für die Mitgliedstaaten, die auf ihre Einhaltung achten müssen, unabdingbar. Daraus ergibt sich, dass diese Beweislastregel auch dann anzuwenden ist, wenn sich der Verbraucher, dem sie zugutekommen kann, nicht ausdrücklich auf sie berufen hat.
In Anbetracht von Natur und Bedeutung des öffentlichen Interesses, auf dem der Schutz beruht, den Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 für den Verbraucher sicherstellt, ist diese Bestimmung als eine Norm zu betrachten, die den nationalen Bestimmungen, die im innerstaatlichen Recht zwingend sind, gleichwertig ist. Daraus folgt, dass das nationale Gericht, sofern es im Rahmen seines nationalen Rechtspflegesystems über die Möglichkeit verfügt, eine solche Norm von Amts wegen anzuwenden, von Amts wegen jede Bestimmung seines innerstaatlichen Rechts anwenden muss, die diesen Art. 5 Abs. 3 umsetzt (vgl. i.d.S. Urteil Asturcom Telecomunicaciones, C–40/08, EU:C:2009:615, Rn 52 bis 54 und die dort angeführte Rspr.).
[Hieran anknüpfend führte der EuGH zur Beweislastverteilung im Rahmen des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie folgendes aus:]
Wie in Rn 53 dieses Urteils festgestellt worden ist, normiert diese Bestimmung eine Abweichung von dem Grundsatz, wonach es dem Verbraucher obliegt, die in Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie festgelegte Vermutung der Vertragsmäßigkeit des verkauften Gutes zu widerlegen und den Beweis der von ihm behaupteten Vertragswi...