BGB §§ 249 ff.; ZPO §§ 280 Abs. 1, 287; RVG § 3a
Leitsatz
Vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten in Form eines anwaltlichen Zeithonorars können als Schaden grds. bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren erstattet verlangt werden, weitergehende Kosten nur in besonderen Ausnahmefällen, wenn der Geschädigte dies nach den besonderen Umständen des Einzelfalls für erforderlich und zweckmäßig halten durfte, wofür er darlegungspflichtig ist.
BGH, Urt. v. 16.7.2015 – IX ZR 197/14
Sachverhalt
Die beiden Kl. hatten vor dem LG Berlin von dem beklagten RA Schadensersatz wegen anwaltlicher Falschberatung im Zusammenhang mit einem Unternehmenskaufvertrag in Höhe von rund 2,78 Millionen EUR verlangt. In diesem Betrag war die – in den Urteilsgründen der Höhe nach nicht mitgeteilte – vereinbarte Anwaltsvergütung für die außergerichtliche Geltendmachung dieses Schadens enthalten. Das LG Berlin hat den beklagten Anwalt zur Zahlung i.H.v. rund 1,61 Mio. EUR verurteilt. Auf die Berufung des Bekl. hat das KG den Betrag herabgesetzt. Die Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung hat das Gericht nur in Höhe der gesetzlichen Vergütung, nämlich einer nach Nr. 1008 VV RVG um den Satz von 0,3 erhöhten 1,5 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagen und Umsatzsteuer berücksichtigt. Die – u.a. – gegen die Absetzung des Mehrbetrages gerichtete Anschlussrevision der Kl. hatte beim BGH keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[54] "… V. 3. Rechtsfehlerfrei hat das BG im Rahmen der Berücksichtigung der Rechtsverfolgungskosten den Anspruch auf Ersatz des vorprozessualen anwaltlichen Zeithonorars abgewiesen, soweit dieses die gesetzlichen Gebühren übersteigt."
[55] a) Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen auch die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten. Nach der st. Rspr. des BGH hat der Schädiger aber nicht schlechterdings alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH NJW 2004, 444, 446; zfs 2006, 448 m. Anm. Hansens = RVGreport 2006, 236 (Hansens) = AGS 2006, 256; NJW 2012, 2427 = BGHZ 193, 159; RVGreport 2015, 68 (ders.) = AGS 2015, 97). Die Einschaltung eines RA ist in einfach gelagerten Fällen nur erforderlich, wenn der Geschädigte geschäftlich ungewandt ist oder die Schadensregelung verzögert wird (BGH BGHZ 127, 348, 351 f; zfs 2006, 448; AGS 2011, 102 = NJW 2011, 296; AGS 2012, 360 = AnwBl. 2012, 560; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl. § 249 Rn 57). Bei Fällen wie dem Vorliegenden, die nicht einfach gelagert sind, ist jedenfalls das Honorar bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren erstattungsfähig (BGH RVGreport 2015, 68, a.a.O.).
[56] Hinsichtlich des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nach § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO gehen die Rspr. und die Literatur fast ganz einhellig davon aus, dass als erstattungsfähige “gesetzliche Gebühren und Auslagen‘ lediglich die Regelsätze des RVG zu erstatten sind und nicht ein aufgrund einer Honorarvereinbarung mit dem RA übersteigendes Honorar (BGH zfs 2015, 165 m. Anm. Hansens = RVGreport 2015, 111 (Hansens) = AGS 2015, 152).
[57] b) Nicht nur für den Bereich der prozessualen Kostenerstattungspflicht, sondern auch hinsichtlich vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten geht § 3a Abs. 1 S. 3 RVG davon aus, dass im Regelfall der gegnerischen Partei nicht mehr als die gesetzlichen Gebühren zu erstatten sind. Anderenfalls hätte der hiernach in einer Gebührenvereinbarung zwingend vorgesehene entsprechende Hinweis an den Mandaten keinen Sinn (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., § 3a Rn 17). Die Gesetzesbegründung zu § 3a RVG geht insoweit davon aus, dass der Rechtssuchende die von ihm zu zahlende Vergütung, soweit sie die gesetzlichen Gebühren übersteigt, grds. selbst tragen muss (BT-Drucks 16/8384 S. 10 linke Spalte Abs. 3 zu Art. 2 Nr. 2 Abs. 1 S. 3).
[58] Derjenige, der sich schadensersatzpflichtig gemacht hat, kann aber in besonderen Fällen auch verpflichtet sein, höhere Aufwendungen aus einer Honorarvereinbarung zu erstatten (vgl. BGH NJW 2003, 3693, 3697 f), wenn der Geschädigte auch diese Aufwendungen wegen der besonderen Lage des Falles für erforderlich und zweckmäßig halten durfte. Dies kann anzunehmen sein, wenn ein zur Vertretung bereiter und geeigneter RA zu den gesetzlichen Gebühren, etwa wegen der Aufwändigkeit des Rechtsstreits und des geringen Streitwerts, oder wenn ein erforderlicher spezialisierter Anwalt zu den gesetzlichen Gebühren nicht gefunden werden kann (vgl. BGH BRAGOreport 2001, 23 (Hansens) = AnwBl. 2000, 754 = NJW 2000, 2669). Davon kann bei einem Streitwert von 2.116.834,94 EUR, von dem das BG insoweit zutreffend ausgegangen ist, aus dem sich eine Geschäftsgebühr von 11.919 EUR zuzüglich einer Erhöhungsgebühr von 2.383,80 EUR nebst Auslagen und Umsatzsteuer errechnet, nicht ohne Weiteres ausgegangen werden, zumal wenn die Pflichtverletzung als solche in einem Vorprozess weitgehend geklärt...