Nachdem sie viele Jahre in Luxemburg beheimatet waren, haben die Europäischen Verkehrsrechtstage dieses Jahr eine Ortsveränderung erfahren. Die 16. Ausgabe der internationalen Tagung ist in Richtung Osten Europas gewandert und wird in Budapest stattfinden.

Eines der zentralen Themen der diesjährigen Tagung ist der wichtigen Frage gewidmet, ob wir eine Aktualisierung der kodifizierten KH-Richtlinie brauchen und wenn ja, welche Regelungen aufgenommen werden sollen. Der europäische Gesetzgeber hat mittlerweile fünf KH-Richtlinien erlassen, die in der kodifizierten KH-Richtlinie zusammengefasst wurden. Bereits im Rahmen der vergangenen KH-Richtlinien war es ein wesentliches Anliegen, die Möglichkeiten zur Durchsetzung der Ansprüche für den Geschädigten einfacher zu machen. Mittlerweile kann der Geschädigte eine Klage gegen einen ausländischen Versicherer an seinem allgemeinen Gerichtsstand erheben und sich direkt an einen Schadensregulierungsbeauftragten wenden, was Kernstück der 4. KH-Richtlinie war. Probleme, die jedoch weiterhin bei der Durchsetzung der Ansprüche und Umsetzung der Vereinfachung für den Geschädigten bestehen, beruhen auf prozessualen Unterschieden in Europa. Bei ausländischen Verkehrsunfällen ist die Beiziehung der polizeilichen Ermittlungsakte für den Beweis des Unfallhergangs meistens unerlässlich. Diese wird jedoch häufig nicht ohne Weiteres herausgegeben. Eine Beiziehung von ausländischen Ermittlungsakten scheitert oftmals und stellt den Anwalt vor Beweisschwierigkeiten. Auch die unterschiedlichen Verjährungsfristen in Europa können den Anwalt vor Hürden stellen und diesen bei der Durchsetzung der Ansprüche mitunter sogar überraschen, so beispielsweise bei einem Verkehrsunfall in Spanien mit einer ungewöhnlich kurzen Verjährungsfrist von einem Jahr. Bedenkt man, dass der deutsche Geschädigte erst über die entsprechende Auskunftsstelle beim deutschen Zentralruf das Versicherungsverhältnis und den deutschen Regulierungsbeauftragten für den ausländischen Versicherer recherchieren muss, ist ein Jahr ab Unfall schnell vorbei.

Einen weiteren Schwerpunkt bilden die rechtlichen Probleme intelligenter Fahrzeugsysteme. Nachdem bereits 2014 Fragen zur Haftung, der Verantwortung der Systeme und der Rechte an den Daten herausgearbeitet wurden, befassen sich die Verkehrsrechtstage in diesem Jahr mit den neuesten Entwicklungen der ITS und werden einen Ausblick auf die Zukunft geben. Dass diese Systeme zukünftig im Alltag Einzug halten werden und dies bereits teilweise getan haben, ist nicht mehr aufzuhalten. Diskussionsbedarf besteht aber weiterhin darüber, wann, wie und welche rechtlichen Konsequenzen zu ziehen sind.

Das Programm wird ergänzt durch zwei spannende Workshops: Der erste Workshop zur Regulierung von tödlichen Verkehrsunfällen mit einer rechtsvergleichenden Analyse von Deutschland, Österreich, Ungarn, Italien und Kroatien erörtert gerade die Frage, welche Ansprüche Angehörige u.a. auf ein Schmerzensgeld haben. Die Straßenmaut für Pkw in Europa wird Gegenstand des zweiten Workshops sein. In vielen europäischen Ländern ist die Erhebung einer Maut gängige Praxis, wird aber auch kontrovers diskutiert. Dieses (Streit-)Thema ist insbesondere in Deutschland nicht mehr unbekannt und wirft vielfältige rechtliche Fragen auf. Dieses Jahr wird sich der Kongress in Budapest mit einem Vergleich der Länder beschäftigen und sich den Fragen widmen, welche Systeme es gibt, wie diese rechtlich unter EU-Recht zu behandeln sind, welche Strafen für Mautsünder vorgesehen sind und wie die Vollstreckung im Ausland ausgestaltet ist.

Das Aufkommen von Fahrzeugen in und aus Mittel- und Osteuropa hat sich in den EU-Staaten in den letzten Jahren merklich erhöht. Themen rund um die Regulierung internationaler Schadensfälle mit Schwerpunkt auf diese Mobilitätsströme sollen den Abschluss des Kongresses bilden. Insbesondere werden hierbei auch die Folgen für die Regulierung internationaler Schadensfälle diskutiert, zum einen unter Berücksichtigung der Position und des Einflusses des Council of Bureaux, zum anderen werden Grüne Karte- und 4.-KH-Schäden in Großbritannien und Italien näher beleuchtet.

Autor: Verena Bouwmann

RAin Verena Bouwmann, FAin für Verkehrsrecht, München

zfs 10/2015, S. 541

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