RVG § 51
Leitsatz
Bei der Bewilligung der Pauschgebühr ist nur der Zeitaufwand berücksichtigungsfähig, der allein aus verfahrensbezogenen Tätigkeiten des Pflichtverteidigers herrührt. Der Zeitaufwand, der seinen Grund in verteidigerbezogenen/persönlichen Umständen hat, wie für die Durchführung der Terminsreise, bleibt hingegen unberücksichtigt.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BGH, Beschl. v. 1.6.2015 – 4 StR 267/11
Sachverhalt
Das LG Dortmund hatte den Angekl. wegen Diebstahls und versuchten Diebstahls in zwei Fällen zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Von der Anordnung einer Maßregel hat das LG Abstand genommen. Die Staatsanwaltschaft hat die hiergegen zu Ungunsten der Angekl. eingelegte Revision auf das Unterbleiben von Maßregelanordnungen beschränkt. Für das Revisionsverfahren hat der Vorsitzende des 4. StrafS des BGH dem Angekl. RA L aus Dortmund zum Pflichtverteidiger für die Hauptverhandlung vor dem BGH bestellt. RA L hat an der Revisionshauptverhandlung v. 11.8.2011 teilgenommen. Diese dauerte von 9:15 Uhr bis 10:10 Uhr. In der Zeit von 9:40 Uhr bis 10:00 Uhr war die Sitzung unterbrochen. Der BGH hat die Revision der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen.
Am 4.11.2014 hat RA L beantragt, ihm für die Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins eine Pauschgebühr zu bewilligen. Dies hat er damit begründet, er habe für die Terminswahrnehmung zwei Tage aufwenden müssen. Das gesetzliche Abwesenheitsgeld reiche für die Abgeltung seines Aufwands nicht aus.
Der BGH hat die Bewilligung einer Pauschgebühr abgelehnt.
2 Aus den Gründen:
[4] "… 2. Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 S. 1 RVG für die Vorbereitung und Wahrnehmung der Revisionshauptverhandlung vor dem BGH – nur insoweit ist der BGH nach § 51 Abs. 2 S. 2 RVG zuständig (BGH BGHSt 23, 324) – liegen nicht vor."
[5] a) Gem. § 51 Abs. 1 S. 1 und 3 RVG ist Voraussetzung der Bewilligung einer Pauschgebühr, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht, dass diese wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache bzw. des betroffenen Verfahrensabschnitts nicht zumutbar ist. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt dabei die Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen – auch überdurchschnittlichen – Sachen in exorbitanter Weise abheben (BGH RVGreport 2014, 269 (Burhoff); BGH RVGreport 2013, 274 (ders.)). Bei der Beurteilung ist ein objektiver Maßstab zugrunde zu legen (vgl. BVerfG NJW 2005, 1264, 1265 m.w.N. zu § 99 BRAGO). Entscheidend ist, ob die konkrete Strafsache selbst umfangreich war und infolge dieses Umfangs eine zeitaufwändigere, gegenüber anderen Verfahren erhöhte Tätigkeit des Verteidigers erforderlich geworden ist. Dabei ist nur der Zeitaufwand berücksichtigungsfähig, der allein aus verfahrensbezogenen Tätigkeiten des Pflichtverteidigers herrührt, nicht hingegen solcher, der seinen Grund in nur verteidigerbezogenen/persönlichen Umständen hat (OLG Saarbrücken RVGreport 2011, 58 (ders.) OLG Hamm RVGreport 2007, 63 (ders.) = NJW 2007, 311).
[6] b) Gemessen daran erscheinen dem Senat die gesetzlichen Gebühren als angemessen und ausreichend. Die rechtlich nicht schwierige Strafsache hatte keinen besonderen Umfang. Dass die Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins für den Verteidiger mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden war, ändert daran nichts. Sie beruht auf in seiner Person liegenden Umständen und wird durch den Anspruch auf Erstattung der entstandenen Fahrt- und Übernachtungskosten sowie auf Zahlung eines Tages- und Abwesenheitsgeldes ausgeglichen (Nr. 7003 ff. VV RVG), der von dem Verteidiger offensichtlich auch geltend gemacht worden ist (vgl. BGH BRAGOreport 2003, 11 (ders.) zu § 99 BRAGO; OLG Nürnberg RVGreport 2015, 181 (ders.) = AGS 2015, 173; OLG Saarbrücken RVGreport 2011, 58 OLG Hamm RVGeport 2007, 63; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., § 51 Rn 23 Stichwort Reisekosten; Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., § 51 Rn 99). Dass die Nichtberücksichtigung des erforderlichen Zeitaufwands für die Anreise zum Gerichtsort bei der Bemessung des Umfangs der Sache nach § 51 RVG zu einer Überschreitung der von Verfassungs wegen zu beachtenden Zumutbarkeitsgrenze führt, ist weder dargetan noch ersichtlich (vgl. BVerfG NJW 2005, 1264, 1265).“
3 Anmerkung:
Die Entscheidung des BGH halte ich im Ergebnis für zutreffend, nur an der Begründung stört mich einiges. Die Teilnahme an einer Revisionshauptverhandlung mit einer Dauer von nur einer guten halben Stunde rechtfertigt nicht die Bewilligung einer Pauschgebühr.
I. Die Argumentation des BGH
Die Auffassung des BGH, die Bewilligung einer Pauschgebühr komme nur dann in Betracht, wenn sich die anwaltliche Mühewaltung von sonstigen – auch überdurchschnittlichen – Sachen in exorbitanter Weise abhebe, halte ich für bedenklich. § 51 Abs. 1 S. 1 RVG erfordert demgegenüber lediglich, dass die in den Teilen 4 bis 6 VV RVG bestimmten gesetzlichen Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonde...