" … Die Kl. hat gem. Ziff. A.2.3.2 Abs. 1 AKB i.V.m Ziff. A.2.7.1 lit b) AKB einen Anspruch auf Entschädigung für die unfallbedingten Reparaturkosten i.H.v. 9.592,93 EUR."
a) Dass das versicherte Fahrzeug infolge eines bedingungsgemäßen Unfalls beschädigt wurde, steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
Der Höhe nach ergibt sich der Anspruch aus Ziff. A.2.7.1 lit b) AKB i.V.m. Ziff. A.2.9 und Ziff. A.2.12. AKB. Danach steht dem VN eine Entschädigung in Höhe der infolge des Unfalls erforderlichen Reparaturkosten zu, wenn das Fahrzeug nicht vollständig und fachgerecht repariert wird, wobei der VR gem. Ziff. A.2.9 AKB nur den Nettobetrag erstattet, wenn keine Mehrwertsteuer angefallen ist. Die Reparaturkosten ergeben sich aus dem klägerseits vorgelegten Gutachten, sie betragen 10.092,93 EUR netto und stehen zwischen den Parteien nicht im Streit. Die gem. Ziff. A.2.12 AKB abzusetzende Selbstbeteiligung beläuft sich ausweislich des Versicherungsscheins vom 16.7.2012 auf 500 EUR.
b) Die Bekl. ist nicht gem. Ziff. E.6.1 AKB i.V.m § 28 Abs. 2, 3 VVG von ihrer Leistungspflicht befreit, weil der Ehemann der Kl. eine Aufklärungsobliegenheit verletzte, indem er nur kurze Zeit an der Unfallstelle blieb, ohne die Polizei zu verständigen und der Bekl. den Unfall erst anderthalb Stunden später meldete.
Zwar treffen den Ehemann der Kl. als Eigentümer und Halter des über die Kl. versicherten Fahrzeugs und damit als versicherte Person i.S.d Ziff. A.2.4 AKB gem. Ziff. F.1 AKB dieselben Pflichten wie den VN. Eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung liegt aber nicht vor.
aa) Es ist bereits zweifelhaft, ob objektiv eine Obliegenheitsverletzung vorliegt.
(1) Nach Auffassung des Senats spricht viel dafür, dass die Obliegenheit aus Ziff. E.1.3 AKB, was das Verlassen des Unfallortes angeht, nicht über die Pflichten des § 142 StGB hinausgeht (so auch OLG Saarbrücken zfs 2016, 211, 212 f., unter I 1 a aa; OLG München SP 2016, 123; a.A. offenbar OLG Stuttgart zfs 2015, 96 mit krit. Anm. Rixecker).
Allerdings ist die Obliegenheit von ihrem Wortlaut her weit gefasst (vgl. näher etwa Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, AKB 2008 E.1 Rn 21 m.w.N.). Der durchschnittliche VN, auf dessen Verständnis es ankommt, wird die Klausel aber auf den ihm bekannten Straftatbestand beziehen (ebenso OLG Saarbrücken, a.a.O.), zumal die Klausel offenbar “je nach Umfang des Schadens‘ unterschiedliche Anforderungen stellt.
Das Verlassen des Unfallorts wäre hiernach nur dann eine Obliegenheitsverletzung gewesen, wenn objektiv ein i.S.d. § 142 StGB relevanter Fremdschaden gegeben war und der Ehemann der Kl. dies erkannte oder jedenfalls bedingt vorsätzlich die Augen davor verschloss. Diese Voraussetzungen der Obliegenheitsverletzung stehen zur Beweislast der Bekl. Dass sie vorliegen, lässt sich nicht feststellen.
Der Ehemann der Kl. hat bei seiner Vernehmung vor dem LG bekundet, er habe bei Nachschau an der Anstoßstelle keine Beschädigungen der Leitplanke oder einen sonstigen Schaden festgestellt. Eine solche – mehr als belanglose – Beschädigung ergibt sich auch nicht etwa ohne Weiteres aus der Beschädigung des Fahrzeugs. Die Bekl. hat dazu nichts Konkretes vorgetragen und keinen Beweisantrag gestellt. Es lässt sich nicht ausschließen, dass die – für solche Kollisionen konzipierte – Leitplanke die Streifkollision ohne relevante Schäden überstand.
Ein relevanter Fremdschaden lässt sich daher schon objektiv nicht feststellen, erst recht nicht ein (bedingter) Vorsatz des Ehemanns der Kl.
(2) Die Obliegenheit dürfte auch nicht etwa dahin zu verstehen sein, dass sie – nicht nur ein Warten, sondern auch – ein aktives Benachrichtigen der Polizei verlangt (so für die dort kommentierten Musterbedingungen etwa auch Knappmann, a.a.O. Rn 21 Mitte: nicht verpflichtet, die Polizei hinzuziehen). Jedenfalls wird das gelten in einem Fall wie dem vorliegenden, weil die Klausel, wie gesagt, “je nach Umfang des Schadens‘ offenbar Verschiedenes verlangt.
(3) Selbst wenn man – entgegen soeben (1) – die Obliegenheit nicht auf die Pflichten des § 142 StGB begrenzt, ist zweifelhaft, ob der Ehemann der Kl. die Obliegenheit, zu warten und Feststellungen zu ermöglichen, verletzt hat.
Nach dem Wortlaut von E.1.3 Abs. 1 wird kein aktives Verhalten verlangt, sondern nur das Ermöglichen von Feststellungen und damit das Gewährenlassen feststellungsbereiter (dritter) Personen (anders freilich offenbar OLG Stuttgart a.a.O. Rn 41). Abs. 2 erläutert nach seinem Wortlaut nur die Feststellungen, welche der VN – nach Abs. 1 – zu ermöglichen hat. Danach ist die Verständigung der Polizei eine von mehreren möglichen Maßnahmen, die zur Aufnahme der erforderlichen Daten zum Schadenereignis und damit zu den Feststellungen gehören und die der VN (nur) zu ermöglichen hat. Und auch ein Verstoß gegen die bloße Obliegenheit, an der Unfallstelle eine angemessene Zeit zu warten, ist zweifelhaft.
Das Warten an der Unfallstelle ist wohl nur dann zur Ermöglichung von Feststellungen geeignet,...