BGB § 323 § 346 Abs. 1 § 348 § 434 Abs. 1 § 437 Nr. 2
Leitsatz
1. Der durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz an die Stelle des § 459 BGB a.F. getretene § 434 BGB geht von einem wesentlich weiteren Sachmangelbegriff aus, so dass auf diese Vorschrift die enge Beschaffenheitsdefinition des § 459 Abs. 1 BGB a.F. nicht mehr angewendet werden kann.
2. Als Beschaffenheit einer Kaufsache i.S.v. § 434 Abs. 1 BGB sind sowohl alle Faktoren anzusehen, die der Sache selbst anhaften, als auch alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben.
3. Das Bestehen einer Herstellergarantie für ein Kfz stellt i.d.R. ein Beschaffenheitsmerkmal der Kaufsache nach § 434 Abs. 1 BGB dar, so dass dessen Fehlen – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift – einen Sachmangel begründet.
BGH, Urt. v. 15.6.2016 – VIII ZR 134/15
Sachverhalt
Der Kl. kaufte von dem beklagten Kraftfahrzeughändler einen Gebrauchtwagen, den dieser auf einer Internetplattform angeboten hatte, wobei er mit einer noch ein Jahr laufenden Herstellergarantie geworben hatte. Kurze Zeit nach der Übergabe des Fahrzeugs wurden – zunächst kostenlos – aufgrund der Herstellergarantie Beanstandungen des Käufers hinsichtlich des Motors behoben. Der Hersteller verweigerte mit der Begründung, dass Anzeichen für eine Manipulation des Kilometerstandes vorlägen, die vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Kl. vorgenommen worden seien, die Erbringung weiterer Garantieleistungen und forderte die Erstattung der Kosten der bereits durchgeführten Reparaturen und des während der Reparaturzeit zur Verfügung gestellten Ersatzfahrzeugs. Der Kl. trat nunmehr vom Kaufvertrag unter Hinweis auf die fehlende Herstellergarantie zurück und machte die Rückführung des Kaufpreises und die Erstattung der Aufwendungen auf das Fahrzeug geltend.
LG und OLG verneinten den Klageanspruch mit der Begründung, die Herstellergarantie stelle kein Beschaffenheitsmerkmal dar, deren Fehlen einen zum Rücktritt berechtigenden Sachmangel begründe.
Die Revision des Kl. mit dem Ziel des ursprünglichen Klagebegehrens hatte Erfolg. Sie führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das BG zur Klärung des Fortbestandes der Herstellergarantie.
2 Aus den Gründen:
[8] "… Mit der vom BG gegebenen Begründung kann ein Anspruch des Kl. auf Rückabwicklung des Kaufvertrags (§§ 437 Nr. 2, 434 Abs. 1, 323, 346 Abs. 1, 348 BGB) nicht verneint werden. Entgegen der Auffassung des BG stellt das Bestehen einer Herstellergarantie i.d.R. ein Beschaffenheitsmerkmal der Kaufsache nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB (Beschaffenheitsvereinbarung) und § 434 Abs. 1 S. 2 BGB (Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder die gewöhnliche Verwendung) dar, so dass dessen Fehlen – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen dieser Vorschriften – einen Sachmangel begründet."
[9] 1. Das BG hat – wie die Revision mit Recht rügt – verkannt, dass sich die Rechtslage hinsichtlich der kaufrechtlichen Beschaffenheit mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz) v. 26.11.2001 (BGBl I S. 3138) am 1.1.2002 grundlegend geändert hat. Denn der an die Stelle des § 459 BGB a.F. getretene § 434 BGB geht von einem wesentlich weiteren Sachmangelbegriff aus, so dass auf diese Vorschrift die enge Beschaffenheitsdefinition des § 459 Abs. 1 BGB a.F., auf die sich das BG gestützt und die auch der Senat – zum früheren Recht, auch speziell zur Kraftfahrzeuggarantie – vertreten hat (Senatsurt. v. 24.4.1996 – VIII ZR 114/95, BGHZ 132, 320, 324 ff.), nicht mehr angewendet werden kann.
[10] a) Durch die Neuregelung des Gewährleistungsrechts im Schuldrechtsmodernisierungsgesetz sind die im früheren Recht vorhandenen Unterschiede zwischen Fehlern (§ 459 Abs. 1 BGB a.F.) und zusicherungsfähigen Eigenschaften (§ 459 Abs. 2 BGB a.F.) dergestalt aufgehoben worden, dass über den engen Fehlerbegriff hinaus jedenfalls jede nach früherem Recht zusicherungsfähige Eigenschaft nunmehr eine Beschaffenheit i.S.d. § 434 Abs. 1 BGB darstellt (BGH, Urt. v. 5.11.2010 – V ZR 228/09, NJW 2011, 1217 Rn 13; v. 30.11.2012 – V ZR 25/12, NJW 2013, 1671 Rn 10). Damit sind als Beschaffenheit einer Sache i.S.v. § 434 Abs. 1 BGB sowohl alle Faktoren anzusehen, die der Sache selbst anhaften, als auch alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben (BGH, Urt. v. 19.4.2013 – V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn 15; v. 30.11.2012 – V ZR 25/12, a.a.O.; Senatsbeschl. v. 26.8.2014 – VIII ZR 335/13, juris Rn 17; OLG Koblenz MDR 2012, 507, 508; ähnlich Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 434 Rn 54; MüKo-BGB/Westermann, 7. Aufl., § 434 Rn 10; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl., Rn 2441; jeweils m.w.N.; enger hingegen Erman/Grunewald, BGB, 14. Aufl., § 434 Rn 3).
[11] b) Entgegen der Revisionserwiderung entspricht dieser gegenüber der früheren Rechtslage weitere Beschaffenheitsbegriff der Intention des Gesetzgebers der Schuldrechtsreform. Nach...