" … Die zulässige Klage ist nicht begründet"
Die Kl. hat gegen den Bekl. keinen Anspruch auf Erstattung der anlässlich des Unfalls vom 6.2.2012 an den Geschädigten gezahlten Versicherungsleistung, da sie hinsichtlich des Verkehrsunfalls vom 6.2.2012 nicht leistungsfrei ist (§ 116 Abs. 1 S. 2 VVG, § 426 Abs. 2 BGB, §§ 7 Abs. 1, 18 StVG).
Voraussetzung für einen Regressanspruch der Kl. ist, dass die Kl. dem Bekl. gegenüber nicht zur Leistung verpflichtet ist (§ 116 Abs. 1 S. 2 VVG). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zwischen den Parteien ist zwar unstreitig, dass der Bekl. sich am 6.2.2012 vom Unfallort entfernt hat, ohne die erforderlichen Feststellungen zum Sachverhalt und zu seiner Person zu ermöglichen. Der Fremdschaden ist auch nicht derartig gering, dass der Bekl. davon hätte ausgehen dürfen, dass kein Feststellungsinteresse des Geschädigten bestände. Es ist allgemein bekannt, dass auch optisch kleinere Schäden an vergleichsweise teuren Fahrzeugen Reparaturkosten in erheblicher Höhe verursachen können. Mithin liegt eine Obliegenheitsverletzung vor, die geeignet ist, die vollständige Leistungsfreiheit der Kl. im Verhältnis zum Bekl. zu begründen (§ 28 Abs. 2 S. 1 VVG).
Diese Obliegenheitsverletzung schließt eine Leistungspflicht der Kl. im vorliegenden Fall auch auf der Grundlage der AKB 2008 aber nicht aus, da dem Bekl. der Kausalitätsgegenbeweis nach § 28 Abs. 3 S. 1 VVG offen steht. Ein solcher ist nicht durch § 28 Abs. 3 S. 2 VVG ausgeschlossen, da ein arglistiges Verhalten des Bekl. nicht festzustellen ist. Die Kl. trägt als VR die Beweislast für das Vorliegen der Arglist … . Ein arglistiges Verhalten setzt voraus, dass der Versicherte der Obliegenheit bewusst und gewollt zuwider handelt und zugleich wenigstens in Kauf nimmt, das Verhalten des VR dadurch zu dessen Nachteil zu beeinflussen. Der Versicherte muss daher einen aus seiner Sicht gegen die Interessen des VR gerichteten Zweck verfolgen (vgl. BGH zfs 2013, 91 … ).
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Allein der Umstand, dass sich der Bekl. unerlaubt vom Unfallort entfernt hat, lässt nicht den Schluss auf ein arglistiges Verhalten zu Lasten der Kl. zu. Einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass derjenige, der sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, damit stets einen gegen die Interessen des VR gerichteten Zweck verfolgt, gibt es nicht … . Vielmehr müssen besondere weitere Umstände hinzutreten, die für sich allein oder in der Gesamtschau einen anderen Schluss als denjenigen auf Arglist ernstlich nicht in Betracht kommen lassen. Auf Arglist als innere Tatsache kann regelmäßig nur auf der Grundlage von Indizien geschlossen werden. Solche Indizien liegen hier nicht vor. Der Bekl. trägt vor, er sei von einem geringen Fremdschaden und einer Unfallverursachung des Geschädigten ausgegangen. Es ist demnach nicht festgestellt, dass der Bekl. aufgrund eines gegen die Interessen des VR gerichteten Zwecks die Unfallstelle verlassen hat.
Ist eine arglistige Obliegenheitsverletzung nicht festzustellen, greift der Ausschluss des Kausalitätsgegenbeweises gem. § 28 Abs. 3 S. 2 VVG nicht. Der Kausalitätsgegenbeweis ist vorliegend als erbracht anzusehen, da es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass dem VR durch die Obliegenheitsverletzung des Bekl. Feststellungsnachteile entstanden sind. Eine solche Kausalität der Verletzung für die Feststellung des Versicherungsfalls und/oder den Umfang der Leistungspflicht des VR ist vorliegend nicht gegeben. Der Bekl. wurde unstreitig nur wenige Minuten nach dem Unfall von der Polizei aufgegriffen, nachdem diese von einer Zeugin, die den Unfall beobachtet und den Bekl. bis zum Erreichen der Tankstelle in D verfolgt hatte, verständigt worden war. Der Bekl. räumte gegenüber der Polizei sofort ein, Fahrer des unfallbeteiligten Fahrzeugs gewesen zu sein. Die noch auf dem Tankstellengelände von der Polizei durchgeführte Alkoholkontrolle ergab ein Ergebnis von 0,0 ‰. Demnach wurden durch das Verhalten des Bekl. Feststellungsmöglichkelten der Kl. nicht verschlechtert. Eine Obliegenheitsverletzung in Form einer Unfallflucht ist nicht kausal, wenn der Fahrer – wie im vorliegenden Fall – einige Minuten nach dem Unfall von der Polizei gestellt wird. … Aus der polizeilichen Unfallaufnahme ergibt sich, dass der Bekl. das unfallbeteiligte Fahrzeug geführt hatte. Die Polizei hatte die Verkehrstüchtigkeit des Bekl. festgestellt. Es ist daher nicht ersichtlich, welche andere Unfallregulierung hätte erfolgen können, wenn der Bekl. selbst die Polizei verständigt hätte und der Unfall an Ort und Stelle aufgenommen worden wäre.“
Mitgeteilt von RA Emiliano Santeusanio, Denzlingen
zfs 10/2016, S. 572 - 573