StPO § 261
Leitsatz
Verweigert der Betr. im vollen Umfang die Einlassung in der Hauptverhandlung, so dürfen daraus keine für ihn nachteiligen Schlüsse gezogen werden.
OLG Dresden, Beschl. v. 17.6.2016 – OLG 21 Ss 260/16 (B)
Sachverhalt
Mit Urt. v. 13.11.2015 hat das AG Dresden die Betr. wegen fahrlässiger Überschreitung der innerorts geltenden Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße i.H.v. 160 EUR verurteilt sowie ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat gegen sie verhängt. Auf die Rechtebeschwerde der Betr. hat das OLG Dresden das angefochtene Urt. aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
"Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urt. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass das AG das Schweigen der Betr. zu deren Lasten gewertet hat. Die GenStA Dresden hat in ihrer Stellungnahme v. 6.6.2016 hierzu wie folgt ausgeführt."
“Der Rechtsbeschwerde der Betr. kann der vorläufige Erfolg nicht versagt werden. Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass das AG zu Lasten der Betr. gewertet hat, dass diese geschwiegen hat in der Hauptverhandlung. Verweigert jedoch die Betr. im vollen Umfang die Einlassung in der Hauptverhandlung, so dürfen daraus keine für sie nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Insoweit hat die Rechtsbeschwerde Bezug genommen auf das Urt. des BVerfG NStZ 1995, 555. Es kann vorliegend deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht ohne Berücksichtigung des Schweigens der Betr. zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Ausdrücklich hat das AG das Schweigen der Betr. als Indiz für deren Schuld gewertet.‘
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an. Aus dem Schweigerecht der Betr. folgt nicht nur ein Verwertungsverbot hinsichtlich erzwungener Aussagen, vielmehr darf das Schweigen als solches im Bußgeldverfahren jedenfalls dann nicht als belastendes Indiz verwendet werden, wenn der Betr. die Einlassung zur Sache im Verwaltungsverfahren oder während der Hauptverhandlung vollständig verweigert hat. Dass dies vorliegend der Fall war, wird von der Rechtsbeschwerde vorgetragen und von den Urteilsfeststellungen bestätigt.
Ein Beruhen des Urteils auf dem aufgezeigten Rechtsfehler kann des Weiteren auch nicht ausgeschlossen werden, auch wenn der Tatrichter weitere Indizien für die Schuld der Betr. anführt (anthropologisches Sachverständigengutachten, Haltereigenschaft). Er misst dem Schweigen der Betr. für die Überführung derselben jedenfalls tragende Bedeutung zu, wenn in den Urteilsgründen ausgeführt wird, die Enthaltung und der Verzicht auf sämtliche Einlassungen der Betr. seien ein starkes Indiz dafür, dass diese die ihr zu Last gelegte Ordnungswidrigkeit begangen habe. Der Senat kann daher nicht umhin, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückzuverweisen.“
Mitgeteilt von RA Christian Janeczek, Dresden
zfs 10/2016, S. 594