Der BGH hat durch dieses Urteil einen Einzelfall entschieden, aber auch Grundsätze aufgestellt, die über den Einzelfall hinaus reichen.
Nach Ansicht des BGH finden die Grundsätze des von ihm in den vergangenen Jahren immer weiter entwickelten und differenzierten gesetzlichen Schadensersatzrechts zwar auf die Kaskoversicherung keine Anwendung, aber sie kommen an anderer Stelle – nämlich im Rahmen der Auslegung der AKB – gleichwohl mehr oder weniger wieder zum Vorschein und voll zum Tragen.
Dass der durchschnittliche und verständige Versicherungsnehmer das Merkmal der "Erforderlichkeit von Reparaturkosten" konkret nach diesen Grundsätzen auslegen und verstehen soll, erscheint zwar sehr gewagt, denn den meisten anwaltlich nicht vertretenen Geschädigten dürfte die Tragweite von verschiedenen Stundenverrechnungssätzen in der fiktiven Schadenregulierung und die verschiedenen Grundsätze mit ihren unterschiedlichen Fallgestaltungen gar nicht oder nicht vollständig bekannt sein.
Allein die Auslegung, dass die Aufwendungen für die Fahrzeugreparatur in einer markengebundenen Werkstatt immer dann erforderlich sind, wenn fest steht, dass nur dort eine vollständige und fachgerechte Reparatur erfolgen kann, entspricht dem konkreten Wortlaut des Bedingungswerks.
Andererseits ist es erfreulich, dass der BGH endlich Licht ins Dunkel gebracht hat, denn schon immer begnügten sich die AKB beim Leistungsumfang mit den nicht gerade besonders präzisen Hinweisen auf "die erforderlichen Kosten der Wiederherstellung" oder "die erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur" und es war eine Frage der Zeit, wann die vom BGH im Haftpflichtrecht aufgestellten Grundsätze auch in der Kaskoversicherung thematisiert werden würden.
Es kommt hinzu, dass die Versicherer mit den vom BGH eröffneten Verweisungsmöglichkeiten auf Referenzwerkstätten nach und nach ein weit verzweigtes Werkstattnetz aufgebaut und davon im Laufe der Zeit nicht nur im Haftpflichtbereich, sondern auch in der Kaskoversicherung rege Gebrauch gemacht haben, so dass sich zwangsläufig die Frage stellte, welche Stundenverrechnungssätze eigentlich mit "den erforderlichen Reparaturkosten" gemeint sind.
Nach der aktuellen BGH-Entscheidung sind nun viele offene Fragen beantwortet. Zu Recht ist der BGH auch nicht auf den Einwand des Beklagten eingegangen, dass durch die fiktive Abrechnung nach den Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt eine verbotene Bereicherung des Klägers eintrete, weil es ein allgemeines gesetzliches Bereicherungsverbot im Versicherungsrecht nicht gibt.
Nicht eindeutig geklärt ist, welche Bedeutung der BGH seinem Hinweis auf die Werkstattbindung beimisst und welche Konsequenzen die Erwartung des Versicherungsnehmers haben soll, bei einem Vertrag ohne Werkstattbindung für seine höhere Prämie auch eine höhere Leistung zu erwarten.
Der BGH thematisiert in dem Zusammenhang die konkrete Abrechnung mit einer tatsächlichen Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt und nimmt Bezug auf den Beschluss des LG Hamburg. Nach dessen Ausführungen soll aber eine Verweisung des Versicherungsnehmers bei Kaskoverträgen ohne Werkstattbindung grundsätzlich nicht erzwungen werden können.
Wie ist der Fall zu entscheiden, wenn die vom BGH aufgestellten Anspruchsvoraussetzungen nicht vorliegen, der Versicherungsnehmer aber einen Vertrag ohne Werkstattbindung abgeschlossen und dafür eine höhere Prämie entrichtet hat?
Hat der Versicherte ohne Werkstattbindung das Recht, seinen Schaden fiktiv nach den Stundenlöhnen markengebundener Fachwerkstätten abzurechnen, auch wenn die anderen Anspruchsvoraussetzungen nicht vorliegen? Darf er sein Fahrzeug in einer markengebundenen Werkstatt auf Kosten des Versicherers reparieren lassen? Hat der Versicherer das Recht auf eine höhere Prämie, wenn er seinen Kunden im Leistungsfall ebenso entschädigt wie denjenigen, der eine geringere Prämie zahlt?
Im Fall des BGH hatte der Kläger keinen Vertrag mit Werkstattbindung abgeschlossen, was für den BGH aber noch nicht ausreichte, in der Sache zu entscheiden, denn es kam ihm auf die weitere Frage an, ob der Kläger einen vom Beklagten vorgetragenen Vorschaden auch in einer Markenwerkstatt reparieren ließ. Das Merkmal "Vertrag ohne Werkstattbindung" reichte demnach für den BGH nicht aus, vielmehr sollte der Kläger nur dann einen Anspruch auf die höhere Leistung haben, wenn er noch eine der weiteren Voraussetzungen darlegt und beweist.