Verkehrsunfallregulierung in einem DIN-A5-Büchlein von gerade einmal 228 Seiten. Geht das? Ja, das geht! Nicht ohne Grund erfreut sich das Werk "Unfallregulierung" seiner achten Auflage. "Unfallregulierung auf den Punkt gebracht" sowie "hohe Aktualität und Praxisnähe der Beiträge" verspricht der Verlagstext und übertreibt damit nicht.
Die grobe Aufteilung von der Mandatsübernahme, Beratungspflichten und der außergerichtlichen Vertretung bis zur Klage und Abrechnung versteht sich von selbst. Die Autoren legen zudem Wert auf die Berücksichtigung aktueller Rechtsprechung bis März 2016. Erstmalig behandelt die achte Auflage die Fahrerschutzversicherung, "die immer mehr an Bedeutung gewinnt, da der versicherte Fahrer auch bei einem selbst verschuldeten Unfall die gleichen Schadensersatzansprüche gegen seinen eigenen Haftpflichtversicherer geltend machen kann, wie die Fahrzeuginsassen."
Und wie arbeitet es sich mit dem Büchlein in der Praxis? Einen bequemen ersten Zugriff ermöglicht bereits das übersichtlich gegliederte Inhaltverzeichnis: "§ 8 Einzelne Schadenspositionen; C. Mietwagenkosten; XI. Vollkaskoversicherung; Seite 89" – in Sekundenschnelle läßt sich noch während der ersten telefonischen Schilderung des Mandanten finden, worauf es ankommen wird. Angenehm war es zudem, im Rahmen der Besprechung das Stichwort "Tankinhalt" unter dem § 8 zu finden; die Verfasser liegen damit begrifflich abseits des andernorts häufig verwendeten "Restkraftstoffs". Sie treffen damit nach hiesiger Ansicht eine Wortwahl, die von den Kollegen außerhalb offizieller Schriftsätze eher gesucht wird.
Positiv im täglichen Gebrauch des Buches ist dem Unterzeichner das Kapitel zum Haushaltsführungsschaden (§ 10) aufgefallen. Nicht selten hört man von den Kollegen im Rahmen von Randgesprächen auf Fortbildungen "Da kommt einiges zusammen" oder "Viele denken gar nicht daran, das geltend zu machen". Vielleicht stören sich manch Kollegen und Mandanten schlichtweg daran, daß der Haushaltsführungsschaden eine Kunst für sich darstellt. Autorin Claudia Held betont, eine schlichte "Bezugnahme auf Tabellenwerke [ … ] reicht nicht aus. Konkreter Vortrag wird dadurch nicht entbehrlich; die Tabellenwerke bieten lediglich Anhaltspunkte für die Schätzung und bedürfen in jedem Fall einer Plausibilitätsprüfung im Hinblick auf den konkret zu beurteilenden Sachverhalt." Die Komplexität aus Minderungspflichten und weiteren Fallstricken bedingt, daß der Haushaltsführungsschaden einen eigenen Paragraphen erhalten hat, während der Großteil der Schadenspositionen in der Regel in wenigen Randnummern abgehandelt werden kann.
Wer den Haushaltsführungsschaden erfolgreich dargelegt und nachgewiesen hat, sollte mit Blick auf den lukrativen Streitwert keine Gebühren durch nachlässiges Abrechnen "verschenken". § 13 (Anwaltskosten) hilft weiter. Dankenswert ist der Hinweis, daß Hebegebühren lediglich, aber immerhin definitiv dann anfallen, wenn die Gegenseite Schmerzensgelder oder Schadensersatz auf das Kanzleikonto überweist, ohne dass durch den Anwalt dazu aufgefordert oder dies sogar ausdrücklich untersagt wurde. Wer hingegen Gelder für die Mandantschaft vereinnahmen und weiterleiten und dafür die Hebegebühr von vornherein berechnen wolle, muß die Mandantschaft bzw. Gegenseite darauf hinweisen. Zahlt der Haftpflichtversicherer sodann an den Anwalt, ist die Gebühr zu erstatten.
Wichtig außerdem in mobilen Zeiten: Die Ausführungen zur Unfallregulierung im Ausland bzw. bei Auslandsbeteiligung im Inland (Stichwort Grüne Karte e.V.). Die Kollision mit dem polnischen Lkw auf der A 2 stellt mit diesem Handbuch kein fachliches Problem mehr dar – an der Regulierungsdauer in Osteuropa ändert das Fachwissen leider nach wie vor nichts.
Nützliche Musterformulare runden das Werk ebenso ab wie konkrete Beratungshinweise und Praxistipps sowie Gegenüberstellungen von "Rechtsprechung zugunsten des Geschädigten" versus "Rechtsprechung zugunsten des Schädigers".
Ein gutes Handbuch ist und bleibt das A und O für jeden Anwalt. Hubert van Bühren und Claudia Held haben ein solches zusammengestellt. Hut ab!
Autor: Heiko Urbanzyk
RA Heiko Urbanzyk, Coesfeld
zfs 10/2016, S. 545