VVG § 178 § 186
Leitsatz
Hat ein VN einen Versicherungsvertreter zeitnah nach einem Unfall mündlich darauf hingewiesen, nach Angaben seines Arztes liege eine unfallbedingte Invalidität vor, kann sich der VR nicht darauf berufen, dass eine schriftliche ärztliche Feststellung erst nach Ablauf der dazu von den AVB vorgesehenen Frist erfolgt ist.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Hamburg, Urt. v. 29.1.2016 – 9 U 139/11
1 Aus den Gründen:
" … Zur Überzeugung des Senats steht zunächst fest, dass der Kl. am 13.6.2007 einen Unfall erlitten hat. Der Kl. hat sowohl vor dem LG als auch vor dem Senat das Geschehen übereinstimmend geschildert. Danach ist er beim Versuch, den blockierten Wasserhahn mit entsprechendem Druck auf den Hahn abzudrehen, mit dem Bein weggerutscht, habe dabei einen stechenden Schmerz verspürt und sei mit dem Knie aufgeschlagen. Auch die Schilderung, wie der Wasserhahn angebracht war, dass der Schlüssel zerbrochen war, dass er nachher noch im Unterholz nach dem Schlüssel gesucht habe, ist bei beiden Aussagen übereinstimmend. Dabei stellt der Kl. den Sachverhalt aber nicht in dem Sinne gleichmäßig dar, dass seine zweite Aussage wie eine Nacherzählung der ersten wirken würde. Der Aufbau der Aussage ist unterschiedlich. Insgesamt hat der Kl. auf das Gericht den Eindruck gemacht, ein erinnertes Geschehen zu berichten – wovon übrigens auch das LG ausgegangen ist."
Gegen den Kl. spricht entgegen der Auffassung des LG nicht die abweichende Darstellung in der Schadensanzeige. (wird ausgeführt)
Nach allem ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kl. beim Versuch, den Rasensprenger mit erhöhter Kraftaufwendung abzustellen, zu Boden gegangen und mit dem Knie aufgeschlagen ist, mithin dass ein Unfall vorliegt.
Eine ärztliche Feststellung unfallbedingter Invalidität liegt vor. Dr. X hat in seinem Schreiben v. 21.5.2009 auf die Frage der Bekl.: “Wird der Unfall voraussichtlich zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit führen?‘ wie folgt geantwortet: “Ja, zumal der Patient bislang die empfohlene OP nicht durchführen ließ.‘ Aus dieser Äußerung ergibt sich sowohl das Vorliegen einer Invalidität als auch die Erklärung, dass diese auf einen Unfall zurückzuführen ist. Diese ärztliche Feststellung ist allerdings nicht fristgerecht erfolgt. Die bedingungsgemäße Frist lief bereits am 13.9.2008 ab. Die Bekl. ist aber nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, sich auf die Fristversäumnis zu berufen. Der Kl. hatte nicht nur das Unfallereignis zeitnah dem Agenten der Bekl., dem Zeugen Y angezeigt, sondern er hatte vor allem bereits im Juni 2008 diesem mitgeteilt, dass nach Auskunft seines behandelnden Arztes ein unfallbedingter Dauerschaden verbleiben werde. Diese Kenntnis, die der Zeuge Y im Rahmen seiner auftragsgemäßen Tätigkeit für die Bekl. erlangt hatte, muss sich die Bekl. zurechnen lassen. Die sog. Auge- und Ohr-Rechtsprechung gilt keineswegs nur für Angaben im Zusammenhang mit der Aufnahme eines Antrags auf Abschluss eines Versicherungsvertrags, wie die Bekl. vertreten hat. Diese Rspr. hat also zur Grundlage, dass der Agent bei Antragsaufnahme als Empfangsbevollmächtigter des VR auftritt. So verhält es sich aber nicht nur bei der Antragsaufnahme, sondern auch dann, wenn der Agent im Rahmen seines Zuständigkeitsbereiches im weiteren Verlauf eines Versicherungsvertrags Erklärungen des Versicherten bzw. VN aufnimmt, etwa bei Erklärungen in der Schadensanzeige. … Hatte aber die Bekl. Kenntnis davon, dass der Kl. nicht nur einen Unfall behauptet hatte, sondern auch angeben hatte, dass dieser Unfall nach Einschätzung des Arztes zu einem Dauerschaden geführt hatte, wäre sie gehalten gewesen, den Kl. auf die wichtigen Ausschlussfristen hinzuweisen. Ein solcher Hinweis ist zwar erfolgt, nämlich im Schadensanzeigeformular. Da dieses Formular dem Kl. aber erst lange nach Ablauf der Frist für die ärztliche Feststellung unfallbedingter Invalidität zur Kenntnis gegeben worden war, war dieser Hinweis nicht geeignet, den Kl. vor einer Fristversäumung zu bewahren.
Beim Kl. liegt auch tatsächlich eine Invalidität vor …
Weiter steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass infolge des oben beschriebenen Unfalls beim Kl. ein unfallbedingter erster Gesundheitsschaden eingetreten ist. Beide Sachverständige sind hinsichtlich der Ruptur des medialen Kollateralbandes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bzw. von einer offensichtlich frischen Ruptur ausgegangen. Insb. der Sachverständige D hat diese Einschätzung durch Hinweis auf das Hämatom und der begleitenden umgebenden Weichteilreizung differenziert begründet. Diese Einschätzung korrespondiert auch mit der des von der Bekl. hinzugezogenen Arztes, der ebenfalls davon spricht, dass hinsichtlich des Seitenbandes “auf jeden Fall … eine frische Verletzung mit Einblutungen‘ vorliegt. Ein weiterer zweifelsfrei unfallbedingter erster Gesundheitsschaden liegt in den Muskelfaserrissen. Unter diesen Umständen gilt für die Frage, ob zwischen Unfallereignis und Invalidit...