StVG § 6e; FeV § 48a; VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4
Leitsatz
1. Der Widerruf der Fahrerlaubnis nach § 6e Abs. 2 S. 1 StVG wird nicht durch die Vollendung des 18. Lebensjahres des Fahranfängers ausgeschlossen.
2. Der in dem unbegleiteten Fahren liegende Verstoß gegen § 6e Abs. 1 Nr. 2 StVG rechtfertigt regelmäßig die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufsbescheides.
Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.8.2017 – 12 ME 169/17
Sachverhalt
Der am … März 1999 geborene ASt. begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen den Widerruf seiner Fahrerlaubnis der Klasse B (sowie der darin eingeschlossenen Klassen AM und L), die ihm am 3.5.2016 nach § 48a FeV erteilt worden war.
Dementsprechend musste er bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres während des Führens eines Kfz von mindestens einer namentlich benannten Person begleitet werden (§ 48a Abs. 2 FeV). Als Begleitperson war sein Vater benannt worden, der jedoch bereits im Juni 2016 verstorben ist. Am 15.2.2017 fuhr der ASt. zweimal – gegen 15.00 und gegen 16.30 Uhr – unbegleitet einen Pkw. Der AG erhielt hiervon (sowie von den deshalb erlassenen zwei Bußgeldbescheiden) durch Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes v. 26.4. und 10.5.2017 Kenntnis. Er hörte den ASt. an, widerrief danach mit Bescheid v. 13.6.2017 die dem ASt. erteilte Fahrerlaubnis und ordnete die sofortige Vollziehung seines Bescheides an.
Dem hiergegen gerichteten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das VG Stade [Beschl. v. 17.7.2017 – 1 B 2237/17] entsprochen. Es könne offen bleiben, ob der Widerrufsbescheid materiell rechtmäßig sei. Bedenken bestünden insoweit, weil fraglich sei, ob der Widerruf nach § 6e Abs. 2 S. 1 StVG auch noch – wie hier – nach der Vollendung des 18. Lebensjahres des Betroffenen erfolgen dürfe. Jedenfalls sei zusätzlich ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung erforderlich, an dem es hier mangele. Für die Anordnung des Sofortvollzuges müssten Anhaltspunkte für einen Eignungsmangel des Betroffenen und eine hieran anknüpfende aktuelle Gefahr für die Verkehrssicherheit bestehen. Der Verstoß gegen die gesetzliche Auflage, nur in Begleitung einer namentlich genannten Person mit einem Pkw zu fahren, stelle hingegen nach den allgemeinen straßenverkehrsrechtlichen Regelungen noch keinen für die Entziehung der Fahrerlaubnis ausreichenden Eignungsmangel dar und trage damit nicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung.
2 Aus den Gründen:
" … Die hiergegen gerichtete Beschwerde des AG hat Erfolg. Aus den von ihm fristgerecht dargelegten Gründen ist der Beschl. zu ändern; der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist abzulehnen."
Der Senat beantwortet die vom VG offen gelassene Frage nach der Rechtmäßigkeit des Widerrufes der Fahrerlaubnis dahin, dass sich dieser Widerruf aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen wird.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 6e Abs. 2 S. 1 StVG. Danach ist eine auf der Grundlage der Rechtsverordnung nach § 6e Abs. 1 StVG, d.h. des § 48a FeV – wie hier –, erteilte Fahrerlaubnis u.a. der Klasse B (mit den darin eingeschlossen Klassen) zu widerrufen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber entgegen einer vollziehbaren Auflage nach § 6e Abs. 1 Nr. 2 StVG ein Kfz ohne Begleitung durch eine namentlich benannte Person führt. Bei dem Widerruf handelt es sich eindeutig um eine zwingende Entscheidung, d.h. der Fahrerlaubnisbehörde steht beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kein Ermessen zu. Allerdings regelt § 6e Abs. 2 S. 1 StVG nicht eindeutig, ob danach ein Widerruf nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres – mit dem nach § 48a Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 5a (S. 2) FeV diese Auflage entfällt – des betroffenen Fahranfängers zugelassen ist.
Dass der Wortlaut eine so lautende Einschränkung nicht enthält, spricht aber bereits gegen ein dahingehendes einschränkendes Verständnis. Systematische sowie teleologische Überlegungen sowie die Motive des Normgebers sprechen ebenfalls gegen eine so verstandene zeitliche Befristung des Widerrufs. Danach (vgl. die Wiedergabe der Begründung bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 6a StVG, Rn 4) schreibt die Vorschrift den zwingenden Widerruf bei einem Auflagenverstoß vor, ohne dass insoweit zeitliche Grenzen benannt werden. Der Anwendungsbereich der Norm würde jedoch in zahlreichen, wenn nicht sogar in der überwiegenden Zahl von Fällen gar nicht eröffnet, wenn der Widerruf nach der Vollendung des 18. Lebensjahres des Betroffenen ausschiede. Denn die Fahrerlaubnisbehörde wird von einem entsprechenden Verstoß regelmäßig – wie hier – erst durch eine Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes aus dem Fahreignungsregister nach § 30 StVG erfahren, nachdem in diesem Register gem. § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG i.V.m. Nr. 3.3.2 Anlage 13 FeV die rechtskräftige Entscheidung wegen der in dem Auflagenverstoß liegenden Ordnungswidrigkeit gespeichert worden ist. Nach Kenntnis der Fahrerlaubnisbehörde von dem Verstoß ist der betroffene Fahrerlaubnisinhaber gem. 28 VwVfG grds. noch anzuhören. Da eine Auflage nach § 48a Abs. 2 FeV maximal für zwölf Monate, bei erstm...