VwGO § 151 § 162 Abs. 1; PartGG § 1 Abs. 1 und 3; VV RVG Vorbem. 7 und Nr. 7003 ff.
Leitsatz
1. Die Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts für die Teilnahme am Verhandlungstermin sind grds. auch dann erstattungsfähig, wenn die als Partnerschaft organisierte Rechtsanwaltsgesellschaft auch am Gerichtsort eine weitere Rechtsanwaltskanzlei unterhält.
2. Reisekosten eines an einem "dritten Ort" ansässigen Rechtsanwalts sind bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- bzw. Unternehmenssitz residierenden Anwalts erstattungsfähig. Für Flugkosten gilt das nur, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten einer Bahnreise 1. Klasse stehen.
BVerwG, Beschl. v. 4.7.2017 – 9 KSt 4.17
Sachverhalt
In einem vor dem BVerwG anhängigen Rechtsstreit ging es um die Rechtmäßigkeit eines straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahrens. Zu ihrer Vertretung in dem vom BVerwG anberaumten Verhandlungstermin beauftragte die mit ihrem Unternehmenssitz in Essen Beigeladene Anwälte mit Kanzlei in Bonn. Diese Anwälte sind als Rechtsanwaltsgesellschaft in Form einer Partnerschaft organisiert, die eine Niederlassung auch in Leipzig, dem Sitz des BVerwG, unterhält. In dem Leipziger Anwaltsbüro ist weder ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht noch ein Rechtsanwalt tätig, der über Erfahrungen in straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren verfügt.
Infolge der Klagerücknahme hob das BVerwG den angesetzten Verhandlungstermin wieder auf. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Bonner Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen jedoch zur Wahrnehmung des Verhandlungstermins bereits einen Flug zu einem Preis von 116,31 EUR gebucht und ein Hotel in Leipzig zu einem Preis von 160,65 EUR reserviert. Diese Reiseauslagen machte die aufgrund des Beschlusses des BVerwG vom 27.3.2017 erstattungsberechtigte Beigeladene neben weiteren hier nicht interessierenden Gebühren und Auslagen im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den Kläger geltend. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) des BVerwG gab diesem Kostenfestsetzungsantrag nur zum Teil statt. Der hiergegen gerichtete Antrag der Beigeladenen auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) hatte beim BVerwG überwiegend Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[1] "Die Erinnerung der Beigeladenen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist zulässig (§ 151 i.V.m. § 165 Satz 2 VwGO) und überwiegend begründet."
[2] Gem. § 162 Abs. 1 VwGO erfassen die erstattungsfähigen Kosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Die Notwendigkeit einer Aufwendung muss aus der Sicht einer verständigen Partei beurteilt werden. Jeder Beteiligte ist aus dem prozessrechtlichen Verhältnis heraus verpflichtet, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten (st. Rspr., s. zuletzt BVerwG RVGreport 2015, 108 (Hansens) = zfs 2015, 107 m. Anm. Hansens). Erstattungsfähig sind die Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie für die Bearbeitung eines konkreten Mandats anfallen und daher nicht als allgemeine Geschäftskosten mit den Gebühren abgegolten sind (§ 1 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Vorbem. 7 Abs. 1 VV RVG; vgl. auch BVerwG, a.a.O.). Ausgehend davon sind die dem Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen entstandenen Stornierungskosten für die infolge der Klagerücknahme nicht angetretene Flugreise i.H.v. 116,31 EUR und für die Hotelbuchung i.H.v. weiteren 83,70 EUR als erstattungsfähig anzuerkennen.
[3] Zu den erstattungsfähigen Auslagen, die im vorgenannten Sinne bei Ausführung des einzelnen Auftrages entstehen, zählen die Fahrtkosten sowie die sonstigen Auslagen einer Geschäftsreise (Nr. 7003 ff. VV RVG). Eine Geschäftsreise liegt vor, wenn das Reiseziel außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Rechtsanwalts befindet (Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG). In Anbetracht dessen scheitert die Erstattungsfähigkeit der Reiseaufwendungen des von der Beigeladenen beauftragten Rechtsanwalts nicht bereits daran, dass sich dessen “Kanzlei' (auch) am Gerichtsort Leipzig befindet. Zwar umfasst der Begriff der Kanzlei neben der Hauptstelle auch etwaige an anderen Orten betriebene Zweigstellen (OLG Dresden RVGreport 2011,145 (Hansens) = AGS 2011, 275; OLG Koblenz AGS 2015, 507). Bei der Niederlassung, die die hier in Rede stehende, in Form einer Partnerschaft (§ 1 Abs. 1 PartGG) organisierte Rechtsanwaltsgesellschaft in Leipzig unterhält, handelt es sich aber nicht um eine Zweigstelle, sondern um eine selbstständige Rechtsanwaltskanzlei. Das folgt zwingend aus den gesetzlichen Rahmenbedingungen, von denen die Ausübung eines freien Berufs in einer Partnerschaft abhängt (§ 1 Abs. 3 PartGG). Zu diesen Voraussetzungen gehört bei einem Rechtsanwalt, dass er eine Kanzlei im Bezirk der Rechtsanwaltskammer unterhält, deren Mitglied er ist (§ 27 Abs. 1 BRAO). Wie von der Beigeladenen dargelegt, ist der von ihr beauftragte Rechtsanwalt Mitglied der Rechtsanwaltskammer Köln mit Kanzleisitz in Bonn, während das Leipziger Büro der Partnerschaftsgesellschaft die Kanzlei derjenigen Rechtsanwälte ist, die der Rechtsanwaltska...