ZPO § 531 Abs. 2
Leitsatz
In der Berufungsinstanz neu sind alle Angriffs- und Verteidigungsmittel, die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz nicht vorgebracht worden sind oder die zunächst vorgebracht, dann aber fallen gelassen worden sind (vgl. § 399 ZPO). Hierzu gehört ein in der ersten Instanz angetretener Sachverständigen- oder Zeugenbeweis, der mangels Einzahlung des angeforderten Vorschusses gem. §§ 402, 379 S. 2 ZPO nicht erhoben worden ist, nicht ohne Weiteres (in Abgrenzung zu BGH NJW 1982, 2559 unter 3a [zu § 528 Abs. 2 ZPO a.F.]).
BGH, Urt. v. 31.5.2017 – VIII ZR 69/16
Sachverhalt
Die Kl. kaufte von der Bekl. Anfang 2014 ein Pferd (K) zum Preis von 11.000 EUR. Nach der Übergabe zeigte die Kl. eine periodisch auftretende Augenerkrankung an. Die Bekl. bestritt den Mangel und bot der der Kl. an, sich im Austausch ein anderes Pferd aus ihrem Bestand auszusuchen. Dem kam die Kl. nach. Bei dem zweiten überlassenen Pferd (N) bemängelte die Kl. aufgrund eines Röntgenbefundes das Vorliegen eines Spats und Lahmheit mit klinischen Auswirkungen. Nach vergeblicher Fristsetzung zur Nacherfüllung trat die Kl. vom Kaufvertrag zurück. Mit der Klage verfolgt die Kl. die Verurteilung der Bekl. zur Rückzahlung des Kaufpreises und der Fütterungs- und sonstigen Kosten Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden.
Das LG wies die Parteien darauf hin, dass es den Austausch der Pferde als Tauschvertrag einordne, weshalb die Kl. allenfalls die Rückgabe des Pferdes und den Ersatz der vergeblich getätigten Aufwendungen beanspruchen könne. Die Kl. teilte hierauf mit, sie habe kein Interesse daran, "statt des lahmen Pferdes N das blinde Pferd K zu erhalten". Unter diesen Umständen werde sie auch den Vorschuss für die Einholung eines Gutachtens zu der Mangelhaftigkeit des Pferdes N nicht einzahlen. Das LG hat von der Einholung eines Gutachtens abgesehen und die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. blieb ohne Erfolg.
Die zugelassene Revision der Kl. führte zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und Zurückverweisung an einen anderen Senat.
2 Aus den Gründen:
[9] "… II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom BG gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Kl. auf Rückabwicklung des Kaufvertrags (§ 346 BGB i.V.m. § 437 Nr. 2, §§ 440, 323 BGB) sowie auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 437 Nr. 3, § 284 BGB) nicht verneint werden."
[10] Zu Recht ist das BG allerdings davon ausgegangen, dass der Austausch der beiden Pferde nicht als Tauschvertrag i.S.d. § 480 BGB, sondern als eine einvernehmlich durchgeführte Nacherfüllung (Ersatzlieferung) zu werten ist. Nachdem die Kl. die Bekl. im Hinblick auf die von ihr behaupteten Mängel des ersatzweise gelieferten Pferdes N unter Fristsetzung vergeblich zur Nacherfüllung aufgefordert hatte, kam es deshalb für die Begründetheit des Rückabwicklungsbegehrens der Kl. allein auf die Mangelhaftigkeit des ersatzweise gelieferten Pferdes N an.
[11] Insoweit hatte die Kl. den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens in der Berufungsinstanz aufrechterhalten. Diesen Beweisantrag durfte das BG jedoch nicht – wie geschehen – nach §§ 531 Abs. 1, 296 Abs. 1, 282 ZPO zurückweisen.
[12] 1. Nach § 531 Abs. 1 ZPO bleiben Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen worden sind, ausgeschlossen.
[13] Hieran fehlt es. Zwar kann ein Antrag auf Vernehmung eines Zeugen oder auf Einholung eines Sachverständigengutachtens bei unterbliebener Einzahlung des angeforderten Auslagenvorschusses unter den Voraussetzungen des § 296 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden (BGH, NJW 1982, 2559 unter 2 b; NJW 1998, 761 unter 1 b; GE 2016, 1207 = BeckRS 2016, 10411 Rn 11).
[14] Auf diese Weise ist das LG aber gerade nicht verfahren, denn es hat den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Mangelhaftigkeit des Pferdes N nicht zurückgewiesen, sondern in seinem Urteil lediglich ausgeführt, das Gutachten sei gem. §§ 402, 379 S. 2 ZPO nicht eingeholt worden, weil die angeforderte Vorschusszahlung unterblieben ist. Zudem hat das LG weder die Vorschrift des § 296 ZPO zitiert, noch deren Voraussetzungen geprüft. In einem solchen Fall scheidet eine Zurückweisung durch das BG nach § 531 Abs. 1 ZPO von vornherein aus (vgl. BVerfGE 69, 145 = NJW 1985, 1150 [zu einer Zurückweisung nach §§ 296, 528 Abs. 3 ZPO a.F.]).
[15] 2. Das BG durfte die vom LG unterlassene Zurückweisung auch nicht etwa selbst vornehmen. Denn nach der Rspr. des BGH kann das Rechtsmittelgericht weder eine von der Vorinstanz unterlassene Zurückweisung nachholen noch die Zurückweisung auf eine andere als die von der Vorinstanz angewendete Verspätungsalternative stützen (BGH NJW-RR 2005, 1007 unter 2 b bb; BGHZ 166, 227 = NJW 2006, 1741 Rn 12; NJW-RR 2013, 655 Rn 11). Unabhängig davon ist aber auch die Annahme des BG, eine Zurückweisung des Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Mangelhaftigkeit des Pferdes N hätte auf § 296...