BGB § 249 § 1006
Leitsatz
Bei fiktiver Abrechnung eines Kfz-Unfallschadens können die etwaigen Kosten der Beilackierung, der Farbangleichung von nicht durch die Schadensbehebung selbst betroffenen angrenzenden Fahrzeugteilen, nicht verlangt werden.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Hamm, Urt. v. 28.3.2017 – 26 U 72/16
Sachverhalt
Nach einem Verkehrsunfall rechnete der Kl. die Reparaturkosten, darunter die Beilackierungskosten fiktiv ab. Der Schädiger und seine Haftpflichtversicherung bestritten, dass der Kl. Eigentümer des beschädigten Pkw gewesen sei.
Das LG wies die Klage wegen fehlenden nachgewiesenen Eigentums des Kl. ab. Dem folgte das BG nicht und verneinte einen Anspruch auf Ersatz der Beilackierungskosten.
2 Aus den Gründen:
" … Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob der Kl. in ausreichendem Maße seinen Eigentumserwerb am beschädigten Fahrzeug dargelegt hat, weil für ihn jedenfalls die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB streitet. Insoweit ist davon auszugehen, dass der Kl. beim Erwerb des Besitzes Eigenbesitz begründete und dabei unbedingtes Eigentum erwarb, was er zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens zwei Tage später auch noch nicht aufgegeben hatte. Dafür spricht bereits, dass er auch nach Angaben des Zeugen E am 17.11.2014 die Fahrzeugschlüssel nebst Papiere und Auto vom bisherigen Besitzer ausgehändigt bekam, nachdem er den vereinbarten Kaufpreis gezahlt hatte. Angesichts der Tatsache, dass der letzte eingetragene Halter und auch Eigentümer des Fahrzeugs – der Zeuge M – nach eigener Aussage das Fahrzeug veräußert hatte und es niemanden gegeben hat, der selbst Ansprüche auf dieses Fahrzeug erhoben hat, besteht überhaupt kein Anlass, diese Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB nicht durchgreifen zu lassen."
Zu den gefordertem Beilackierungskosten führte der Senat aus: “Letztere fallen nicht in jedem Fall an, sondern nur dann, wenn besondere Maßnahmen sich bei der Lackierung als tatsächlich notwendig erweisen.' … “
3 Anmerkung:
1. Einer der Standardeinwände des nach einem Verkehrsunfall auf Ersatz des Sachschadens in Anspruch Genommenen geht dahin, dass das Eigentum des Anspruchsstellers an dem beschafftem Kfz bestritten wird. Damit wird die Erwartung verbunden, dass wegen fehlenden nachgewiesenen Eigentums Schadensersatzansprüche des Anspruchsstellers ausscheiden. Oft wird das Bestreiten mit dem Hinweis verbunden, dass es sich um ein sicherungsübereignetes oder geleastes Fahrzeug handeln müsse und deshalb Eigentum des Anspruchsstellers ausscheide. Dass auch durch den unmittelbaren berechtigten Besitz als sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB Schadensersatzansprüche zustehen können (vgl. zu deren Umfang BGH NJW 1984, 2569; OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 23) muss nicht vertieft werden, weil das Bestreiten des Eigentums des Anspruchstellers in aller Regel nicht erfolgsversprechend ist.
2. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass die Auferlegung der Beweislast für den vielleicht schon längere Zeit zurückliegenden Erwerbsvorgang zu einer Überforderung des Anspruchsstellers und darüber hinaus zu einer ausufernden Beweisaufnahme führen könnte (vgl. Werner, JA 1983, 617; Wolf, JuS 1984 941, 942; Schmitz, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, § 1006 Rn 1).
§ 1006 BGB, der auf dem vermuteten Zusammenfallen von Erwerb des unmittelbaren Eigenbesitzes aufbaut, enthebt den Erwerber von der Darlegungslast bezüglich des Erwerbsvorgangs (vgl. BGH NJW 2004, 217; OLG Saarrücken NJW 2015, 235; OLG Saarbrücken NJW-RR 2013, 1498 jeweils m.w.N). Ausreichend für das Eingreifen der Eigentumsvermutung ist danach unmittelbarer Eigenbesitz und das Aufstellen der Rechtsbehauptung, Eigentümer zu sein (vgl. OLG Saarbrücken a.a.O.). Weitere Anforderungen an die Darlegung des Eigentums, etwa die Schilderung der Erwerbsbiographie aufgrund sekundärer Beweislast (so aber OLG Hamm NJW 2014, 1894), lassen sich der in § 1006 BGB umschriebenen Vermutungsbasis nicht entnehmen (vgl. OLG Saarbrücken NZV 2015, 235).
3. Die geringen Chancen der Ausräumung der Vermutung des § 1006 BGB werden erkennbar, wenn die hohen Anforderungen an die Erschütterung der Vermutungsbasis gewürdigt werden. Die gesetzliche Vermutung des § 1006 BGB kann nur durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden, so dass Mutmaßungen wie ein angeblicher Eigentumsvorbehalt ohne Detaillierung und Beweis nicht ausreichen (vgl. BGH NJW 2004, 217, 219; BGH NJW 1975, 1269, 1270; OLG Saarbrücken NJW-RR 2013, 1408, 1409); Schmitz, in: Handbuch der Beweislast a.a.O., § 1006 Rn 23–34).
4. Ob die Beilackierung zu dem notwendigen Inhalt einer durchgeführten Reparatur gehört hätte, kann vor der tatsächlichen Durchführung nicht festgestellt werden. Nur wenn es feststünde, dass sie bei Durchführung der Reparatur in jedem Falle notwendig war, konnte die Vergütung hierfür auch bei fiktiver Abrechnung gefordert werden (vgl. Heß/Burmann, NJW sp. 2017, 394).
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 10/2017, S. 565 - 566