Der BGH hat im grundlegenden VW-Urteil nicht in Frage gestellt, dass der Verweis auf eine günstigere Reparatur in einer freien Fachwerkstatt grundsätzlich zulässig ist. Er ist vielmehr davon ausgegangen, dass das Porsche-Urteil diese Frage bereits entschieden und bejaht hat. Dies entspricht einer verbreiteten "Auslegung" des Porsche-Urteils, für die tonangebend Figgener steht. Figgener zitiert aus dem Urteil den folgenden Absatz:
Zitat 1
"Zwar kann dem Berufungsgericht vom Ansatz her in der Auffassung beigetreten werden, dass der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auf diese verweisen lassen muss. Doch hat das Berufungsgericht die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür nicht festgestellt."
Mit dieser Formulierung, einem obiter dictum, habe der VI. Senat den Instanzgerichten eine "kleine Segelanweisung" an die Hand gegeben. Sie müssten halt, folgert Figgener, die tatsächlichen Voraussetzungen feststellen. Figgener unterstellt, dass es sich bei den tatsächlichen Voraussetzungen um nichts anderes handelt als die im vorangegangenen Satz genannten Anforderungen an die alternative Reparaturmöglichkeit, unschwer und ohne Weiteres zugänglich sowie (technisch) gleichwertig zu sein.
Das, so Figgener, sei keine Erweiterung der BGH-Rechtsprechung und auch keine zweifelhafte Auslegung, sondern schlichte Anwendung der grundsätzlichen Ausführungen des Porsche-Urteils; im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot und die Schadensminderungspflicht sei die Verweismöglichkeit nicht überraschend.
Nicht zitiert hat Figgener den im Porsche-Urteil unmittelbar folgenden Absatz, der wie folgt lautet:
Zitat 2
"Nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil haben die Beklagten weder bestritten, dass die vom Sachverständigen angesetzten Stundenverrechnungssätze bei einer Reparatur in einer Porsche-Vertragswerkstatt tatsächlich anfielen, noch haben sie gravierende Mängel des Sachverständigengutachtens gerügt. Unter diesen Umständen muss sich die Klägerin auf die abstrakte Möglichkeit der technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Fremdwerkstatt auch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nicht verweisen lassen."
Zweifel an Figgeners Interpretation sind durch diesen Absatz veranlasst. Mit seiner einleitenden Formulierung knüpft der erste Satz des Zitats 2 unmittelbar an den zweiten Satz im Zitat 1 an. Die vom Berufungsgericht nicht festgestellten tatsächlichen Voraussetzungen sind nicht die Tatsachen, die Figgener im Sinn hat. Der BGH moniert nicht etwa, dass das Berufungsgericht, in dem Fall das LG Hagen, keine Feststellungen zur Qualität der Reparaturwerkstatt getroffen hat, auf die verwiesen werden sollte. Zu solchen Feststellungen hatte das LG Hagen im Porsche-Fall mangels einschlägigen Beklagtenvortrags gar keinen Anlass. In dem Rechtsstreit haben sich die Beklagten nicht auf eine anderweitige, kostengünstigere Reparaturmöglichkeit berufen, sondern auf Durchschnittssätze repräsentativer Werkstätten.
Die tatsächlichen Voraussetzungen, die der BGH meint, haben vielmehr damit zu tun, wie sich die Beklagten in den Tatsacheninstanzen zu dem Sachverständigengutachten verhalten haben. Mit dieser Formulierung bezieht sich der VI. Senat auf frühere Entscheidungen. Zwar sind Fundstellen nicht in den oben zitierten Absätzen angeführt, jedoch einen Absatz zuvor. Zu den dort zitierten Entscheidungen gehört das Urteil vom 20.6.1989. In diesem Urteil hat sich der VI. Senat grundsätzlich mit der prozessualen Bedeutung von Schätzgutachten befasst.
Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (§ 249 S. 2 a.F.), so hat der VI. Senat damals ausgeführt, kann der Geschädigte für die von ihm selbst veranlasste Reparatur einer beschädigten Sache statt der Herstellung durch den Schädiger den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Das Gesetz gebe nach seinem Wortlaut und seinem Zweck einen objektivierenden, typisierenden Maßstab vor. Grundlage für diesen Maßstab könne das Gutachten eines Kfz-Sachverständigen sein. Das Gutachten müsse dafür "hinreichend ausführlich" sein und "das Bemühen erkennen" lassen, "dem konkreten Schadenfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden". Ein solches Gutachten habe einen Prognosecharakter. Es lege keineswegs den zu ersetzenden Schaden bindend fest. Daher sei es dem Schädiger unbenommen, die Annahmen des Sachverständigen in Einzelpunkten durch substantiierte Einwände in Zweifel zu ziehen.
Das Urteil aus 1989 zeigt mithin die zwei Verteidigungsmöglichkeiten gegenüber der Schadensbezifferung aufgrund eines Gutachtens auf, die im Zitat 2 aus dem Porsche-Urteil wieder erscheinen. Es kann – je nach Sachlage – grundsätzlich die fehlende Eignung des Gutachtens mangels Substantiierung oder wirtschaftlicher Herangehensweise bestritten werden. Oder es werden Feststellungen des Gutachters in Einzelpunkten angegriffen. Im Falle des Porsche-Urteils war offens...