[18] "… 1. Rechtsfehlerhaft hat es das BG versäumt zu prüfen, ob die von der Bekl. zur Frage vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzungen des VN und der Versicherten durchgeführte Erhebung von Gesundheitsdaten der Kl. bei ihren gesetzlichen Krankenversicherern und Ärzten gegen die Vorgaben der verfassungsgerichtlichen Rspr. zum Recht des Versicherten auf informationelle Selbstbestimmung sowie des § 213 VVG verstößt und es der Bekl. infolgedessen möglicherweise nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen der erklärten Arglistanfechtung zu berufen."
[19] a) Das BG hätte zunächst der Frage der Rechtmäßigkeit der Datenerhebung durch die Bekl. nachgehen müssen.
[20] aa) Dabei hat es entgegen der Auffassung der Revision im Ausgangspunkt noch richtig erkannt, dass die weite Fassung der von der Bekl. vorformulierten und von der Kl. unterzeichneten Schweigepflichtentbindung für sich genommen keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Denn das Gesetz setzt, wie sich aus § 213 VVG ergibt, die Zulässigkeit sog. allgemeiner Schweigepflichtentbindungen voraus.
[21] Zwar sah der Gesetzentwurf zur Reform des Versicherungsvertragsrechts ursprünglich in § 213 VVG-E vor, dass die Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten nur zulässig sein sollte, soweit die betroffene Person im Einzelfall eine Einwilligung nach § 4a BDSG erteilt hat (BT-Drucks 16/3945 S. 40). Diese Fassung der Vorschrift wurde aber nicht Gesetz. Vielmehr ordnet das am 1.1.2008 in Kraft getretene Versicherungsvertragsgesetz in § 213 Abs. 2 S. 1 VVG an, dass die – auch danach für die Datenerhebung des VR notwendige – Einwilligung des Betroffenen schon vor Abgabe der Vertragserklärung erteilt werden kann. Nach der dieser Normfassung zugrundeliegenden Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses lässt die Regelung damit die “einmalige Einwilligung in eine Datenerhebung bei Abgabe der Vertragserklärung weiterhin zu' (BT-Drucks 16/5862 S. 100). Das Recht der betroffenen Person auf wirkungsvollen informationellen Selbstschutz soll danach nicht durch eine obligatorische Einzelfalleinwilligung, sondern dadurch erreicht werden, dass der Betroffene gem. § 213 Abs. 2 S. 2 VVG stets vorab über eine geplante Datenerhebung zu unterrichten ist und dieser widersprechen sowie darüber hinaus nach § 213 Abs. 3 VVG jederzeit verlangen kann, dass eine Erhebung nur bei Einzeleinwilligung erfolgt (BT-Drucks 16/5862 a.a.O.).
[22] Dementsprechend sieht auch ein Teil der obergerichtlichen Rspr. und das Schrifttum die Erteilung allgemeiner, vom Einzelfall gelöster Schweigepflichtentbindungen – unabhängig davon, ob sie vor Vertragsschluss oder später erfolgen – als grds. zulässig an (OLG Brandenburg NJW-RR 2014, 1501, 1502; Höra, in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 213 VVG Rn 48 f.; HK-VVG/Muschner, 3. Aufl., § 213 Rn 28; Rixecker, in: Langheid/Rixecker, VVG, 5. Aufl., § 213 Rn 16 … ). Eine Differenzierung danach, von wem die Erklärung formuliert oder ob sie formularmäßig erteilt wurde, erfolgt dabei nicht. …
[23] Ein abweichendes Normverständnis ist auch nach dem Beschl. des BVerfG v. 23.10.2006 (VersR 2006, 1669) nicht geboten. Danach begegnet es verfassungsrechtlichen Bedenken, eine versicherungsvertragliche Obliegenheit als wirksam anzusehen, nach welcher der VN gehalten ist, eine vom VR geforderte umfassende Schweigepflichtentbindung zu erteilen, wenn ihm damit die tatsächliche Möglichkeit und Zumutbarkeit informationellen Selbstschutzes genommen wird (a.a.O. Rn 33, 53 f.). Demgegenüber ist eine entsprechende Entbindungserklärung nicht zu beanstanden, wenn dem Versicherten zu deren Erteilung Alternativen freigestellt waren, die ihm die Wahrung seiner Rechte ermöglichen (a.a.O. Rn 61). Im Anschluss daran hat der Senat in seiner jüngsten Rspr. betont, dass der VN dem VR eine unbeschränkte Schweigepflichtentbindung erteilen kann. Denn als Träger des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung steht es ihm frei, Daten anderen gegenüber zu offenbaren (Senat zfs 2017, 212).
[24] bb) Das BG hat allerdings nicht berücksichtigt, dass der VR im Rahmen seiner Leistungsprüfung dem Versicherten die Erklärung einer solchen allgemeinen Schweigepflichtentbindung regelmäßig nicht abverlangen darf.
[25] Gem. § 31 Abs. 1 VVG hat der VN bei der Erhebung von Daten durch den VR grds. nur insoweit mitzuwirken, als diese zur Prüfung des Leistungsfalls relevant sind. … Im Falle eines geringen Kenntnisstands des VR kann dies eine gestufte, einem Dialog vergleichbare Datenerhebung erforderlich werden lassen, in deren Rahmen sich die Erhebungen des VR zunächst auf solche Informationen zu beschränken haben, die ihm einen Überblick über die zur Beurteilung des Versicherungsfalls einschließlich des vorvertraglichen Anzeigeverhaltens des VN relevanten Umstände ermöglichen. …
[26] Dementsprechend ist der VN aufgrund seiner gesetzlichen Obliegenheit aus § 31 Abs. 1 VVG auch nur insofern gehalten, inhaltlich begrenzte Schweigepflichtentbindungen zu erklären, als das Erhebungsbegehren ...