FeV § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. d § 20;Anlage 4 zur FeV Nr. 8.1 8.2
Leitsatz
Ist nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 Promille die Fahrerlaubnis durch das Strafgericht entzogen worden, darf die Fahrerlaubnisbehörde die Neuerteilung nicht allein wegen dieser Fahrerlaubnisentziehung von der Beibringung eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig machen. Anders liegt es, wenn zusätzliche Tatsachen die Annahme künftigen Alkoholmissbrauchs begründen (Anschluss an BVerwG, Urt. v. 6.4.2017 – 3 C 24.15 [= zfs 2017, 594] und 3 C 13.16 [= zfs 2017, 295]).
OVG des Saarlandes, Urt. v. 4.7.2018 – 1 A 405/17
Sachverhalt
Der Bekl. wird mit dieser Entscheidung unter Abänderung des Urt. des VG des Saarlandes vom 1.3.2017 – 5 K 1491/16 und unter Aufhebung des Bescheides des Bekl. vom 27.4.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.7.2016 verpflichtet, dem Kl. die Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L bei Nachweis der sonstigen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 FeV neu zu erteilen:
Der Kl. erhielt am 28.8.1987 die Fahrerlaubnis der (alten) Klasse 3. Mit seit dem 30.6.2015 rechtskräftigem Strafbefehl des AG B-Stadt vom 10.6.2015 (…) wurde gegen den Kl. wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§§ 316 Abs. 1 und 2, 69, 69a StGB) eine Geldstrafe i.H.v. 30 Tagessätzen zu je 25 EUR verhängt, die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperre für die erneute Erteilung einer Fahrerlaubnis von sechs Monaten angeordnet. In den Gründen heißt es, der Kl. habe am 22.4.2015 gegen 7:16 Uhr ein Kfz geführt, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig gewesen sei. Die ihm um 9:08 Uhr entnommene Blutprobe habe eine BAK von 1,1 Promille ergeben.
Mit Datum vom 16.11.2015 beantragte der Kl. die Neuerteilung der Fahrerlaubnis für die Klassen AM, B und L.
Mit Schreiben vom 20.1.2016 ordnete der Bekl. dem Kl. gegenüber gem. § 20 Abs. 1 FeV i.V.m. § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. d FeV unter Hinweis auf den rechtskräftigen Strafbefehl und unter Fristsetzung bis zum 20.4.2016 die Vorlage eines Gutachtens einer amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle (MPU) über die Eignung zum Führen von Kfz an. Das Gutachten solle die Frage beantworten, ob zu erwarten sei, dass der Kl. auch zukünftig ein Kfz unter Alkohol führen werde und/oder ob als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vorlägen, die das sichere Führen eines Kfz der Gruppe 1 in Frage stellen. Die Anordnung war mit dem Hinweis auf § 11 Abs. 8 FeV versehen.
Mit Schreiben vom 26.1.2016 machte der Kl. geltend, die vom Bekl. zur Begründung herangezogene Vorschrift des § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. d FeV vermöge die Anordnung der Vorlage eines MPU-Gutachtens nicht zu rechtfertigen. Ihm sei zwar die Fahrerlaubnis gem. § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. d FeV entzogen worden. Jedoch liege weder ein Führen von Fahrzeugen im Straßenverkehr mit einer BAK von 1,6 Promille noch wiederholtes Handeln vor, welches Anzeichen für Alkoholmissbrauch nahe lege, noch seien sonst Tatsachen ersichtlich, die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründeten. Der Bekl. teilte dem Kl. demgegenüber mit Schreiben vom 3.2.2016 mit, dass die Aufforderung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufrechterhalten werde.
Mit Bescheid vom 27.4.2016 lehnte der Bekl. die vom Kl. beantragte Neuerteilung der Fahrerlaubnis ab, nachdem er der Aufforderung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht nachgekommen war. Nach § 20 Abs. 1 i.V.m. § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. d FeV sei ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, wenn die Fahrerlaubnis aus einem der unter Buchstaben a bis c genannten Gründe entzogen worden sei. Dies sei vorliegend der Fall, da der Kl. mit rechtskräftigem Strafbefehl des AG B-Stadt wegen Trunkenheit im Straßenverkehr (Blutalkoholkonzentration: 1,1 Promille, Tattag: 22.4.2015) verurteilt worden sei. Aus der Weigerung des Betroffenen, eine medizinisch-psychologische Untersuchung durchführen zu lassen oder das Ergebnis einer durchgeführten medizinisch-psychologischen Untersuchung vorzulegen, dürfe die Fahrerlaubnisbehörde auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kfz schließen. (…)
Der gegen den Bescheid erhobene Widerspruch des Kl. wurde zurückgewiesen. (…)
Mit aufgrund der Beratung vom 1.3.2017 ergangenem Urteil – 5 K 1491/16 – hat das VG des Saarlandes die Klage abgewiesen. (…) In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, der Kl. habe keinen Anspruch auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ohne Beibringung eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens. Auszugehen sei von § 13 S. 1 Nr. 2 FeV, wonach die Fahrerlaubnisbehörde anordne, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Alkoholabhängigkeit, jedoch Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen (Buchst. a), wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden (Buchst. b)...