ZPO § 91 ff. § 494a Abs. 1; BGB § 280 § 286 § 1004 § 823 Abs. 1
Leitsatz
Der ASt. eines selbstständigen Beweisverfahrens kann die ihm hieraus entstandenen Kosten jedenfalls so lange im Wege der Leistungsklage und gestützt auf seinen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch geltend machen, wie ein Hauptsacheverfahren i.S.d. § 494a ZPO – und sei es auch nur in Gestalt einer Feststellungsklage – nicht geführt wurde oder geführt wird und auch ein Antrag nach § 494a Abs. 1 ZPO nicht gestellt ist.
BGH, Urt. v. 10.10.2017 – VI ZR 520/16
Sachverhalt
Die Kl. sind Mieter eines Hauses in Köln, der Bekl. ist Eigentümer des Nachbargrundstücks. Ein Ast einer Buche, die auf dem Grundstück des Bekl. steht, ragte zu dem von den Kl. genutzten Grundstück im Bereich des Hauseingangs herüber. Nach Auffassung der Kl. war einer dieser Äste abbruchgefährdet. Die Kl. forderten den Bekl. durch Anwaltsschreiben auf, den bereits angebrochenen Ast entfernen zu lassen. Dies lehnte der Bekl. ab. Hieraufhin leiteten die Kl. vor dem AG Köln ein selbstständiges Beweisverfahren mit der Beweisfrage ein, ob ein Abbruch des Astes drohe. Der in diesem Verfahren beauftragte Sachverständige stellte in seinem Gutachten fest, dass ein Abbruch des Astes absehbar sei. Nach Vorlage dieses Sachverständigengutachtens und der Einholung einer Fällgenehmigung entfernte der Bekl. den Ast. Das selbstständige Beweisverfahren endete ohne die Stellung eines Antrags nach § 494a Abs. 1 ZPO.
Die Kosten dieses selbstständigen Beweisverfahrens beliefen sich auf 2.328,04 EUR, die Anwaltskosten der Kl. in diesem Verfahren auf weitere 487,08 EUR. Diese Kosten hat die RSV der Kl. mit Ausnahme eines Selbstbehaltes von 150 EUR erstattet. Die RSV hat die Kl. ermächtigt, die Forderung gerichtlich im eigenen Namen geltend zu machen. Hieraufhin haben die Kl. vor dem AG Köln gegen den Bekl. eine entsprechende Leistungsklage erhoben. Das AG hat der Klage stattgegeben, das LG Köln hat die Berufung des Bekl. zurückgewiesen. Die hiergegen vom Bekl. eingelegte Revision hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"… [11] 2. Im Umfang ihrer Zulassung ist die Revision des Bekl. unbegründet. Die Annahme des BG, die Kl. könnten ihr Kostenerstattungsbegehren im Streitfall im Wege der Leistungsklage und gestützt auf ihren materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch verfolgen, ist frei von Rechtsfehlern."
[12] a) Die Kl. hatten keine Möglichkeit, im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens eine (prozessuale) Kostenentscheidung zu ihren Gunsten zu erlangen.
[13] Im selbstständigen Beweisverfahren ergeht grds. keine Kostenentscheidung (BGH NJW-RR 2004, 1005). Die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens bilden einen Teil der Kosten des sich anschließenden Hauptsacheverfahrens, über die in der Regel in diesem Verfahren entschieden wird (vgl. BGH NJW 2014, 1018; BGH NJW 2009, 3240; BGH RVGreport 2007, 440 [LS] = AGS 2007, 586 = NJW 2007, 3357), so dass sie dort im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen sind (BGH AGS 2011, 359 = NJW-RR 2010, 674). Soweit eine Kostenentscheidung in einem selbstständigen Beweisverfahren von der Prozessordnung überhaupt vorgesehen ist, erfolgt sie gegen den ASt. (§ 494a Abs. 2 ZPO). Kommt es nicht zu einem Hauptsacheverfahren, weil der ASt. nach Durchführung der Beweisaufnahme von der Einleitung des Hauptsacheverfahrens absieht, soll der AG durch § 494a ZPO so gestellt werden, als habe er obsiegt (BGH NJW 2009, 3240).
[14] Darüber hinaus kann eine Kostenentscheidung im selbstständigen Beweisverfahren ausnahmsweise ergehen, wenn der ASt. seinen Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens zurücknimmt. In diesem Fall hat der ASt. in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO grds. die Kosten zu tragen (vgl. Senat RVGreport 2015, 437 [Hansens] = AGS 2015, 342; BGH RVGreport 2011, 120 [Hansens] = AGS 2011, 144; BGH AGS 2005, 514 = NJW-RR 2005, 1015). Entsprechendes kann gelten, wenn der ASt. den vom Gericht angeforderten Auslagenvorschuss nicht einzahlt und die beantragte Beweiserhebung deshalb unterbleibt (BGH zfs 2017, 285 m. Anm. Hansens = RVGreport 2017, 198 [Hansens] = AGS 2017, 298).
[15] Dagegen besteht im selbstständigen Beweisverfahren für eine Kostenentscheidung in entsprechender Anwendung von § 91a ZPO kein Raum. Dies gilt nach der Rspr. des BGH unabhängig davon, ob die Erledigung einseitig durch den ASt. (BGH RVGreport 2007, 360 [LS] = NJW 2007, 3721) oder übereinstimmend von ASt. und AG erklärt wird (BGH AGS 2012,85 = NJW-RR 2011, 931).
[16] b) Nimmt der AG – wie hier – nach Erhebung des beantragten Beweises eine Handlung vor, die das Interesse des ASt. entfallen lässt, den AG hierauf klageweise in Anspruch zu nehmen, steht dem ASt. stattdessen grds. die Möglichkeit offen, das Hauptsacheverfahren mit der Klage auf Feststellung zu führen, dass der AG zu der vorgenommenen Handlung verpflichtet war (BGH AGS 2004, 400 = NJW-RR 2004, 1580, 1581). Obsiegt er in diesem Verfahren, erreicht er eine Kostengrundentscheidung, die die Kosten des selbstständigen Beweisverfahr...