Bleiben noch Einsparungen bei konkreter Abrechnung.

Der erste Angriff der Versicherungswirtschaft bei konkreter Abrechnung richtete sich 2003 gegen die Mietwagenrechnungen.[4] Dem folgte eine wahre Flut an Urteilen, in denen der BGH seine Mietwagenrechtsprechung konkretisierte. Der nächste Angriff richtete sich 2005 und 2006 gegen die Rechnungen der Kfz-Sachverständigen.[5] Ab 2014 kam es dann zu einem Schub weiterer BGH-Urteile zu diesem Thema.[6]

Angegriffen wurden die schwachen Glieder der Restitutionskette. Schwach nicht im Sinne von wirtschaftlich schwach, schlecht verdienend oder wenig wehrhaft, sondern schwach im juristischen Sinne. Sachverständige und Mietwagenfirmen (zumindest beim Unfallersatztarif) haben eines gemeinsam: Der von ihnen berechnete Preis richtet sich nicht nach Angebot und Nachfrage. Er wird nach anderen Maßstäben festgesetzt. Das hat der BGH bei den Mietwagenrechnungen erkannt und zur Grundlage seiner (die Kürzungen bestätigenden) Rechtsprechung gemacht. Er spricht von

Zitat

"(…) Fällen, in denen sich ein besonderer Tarif für Ersatzmietwagen nach Unfällen entwickelt hat, der nicht mehr maßgeblich von Angebot und Nachfrage bestimmt wird (…), wenn die Preise für Ersatzmietwagen durch weitgehend gleichförmiges Verhalten der Anbieter geprägt ist."[7]

Vergleichbares gilt für die Sachverständigenrechnungen. Auch hier erfolgt die Preisbildung nicht nach Angebot und Nachfrage. In der Praxis bezahlt der Geschädigte als Auftraggeber die Sachverständigenrechnung nicht. Sie wird von der Versicherung übernommen. Auf die Frage: "Wieviel kostet das Gutachten?" antwortet der Sachverständige: "Das zahlt die Versicherung." Der Geschädigte hat deshalb keinen Grund, auf den Preis zu achten. Es kann ihm egal sein. Umgekehrt hat der Sachverständige keinen Grund, sein Gutachten günstiger als die Konkurrenz anzubieten, um mehr Kunden zu gewinnen. Wenn der Kunde nicht auf den Preis achten muss, wird er sich auch nicht durch einen günstigeren Preis locken lassen. Er hätte nichts davon. Deshalb richtet sich auch das Sachverständigenhonorar nicht nach Angebot und Nachfrage.

Und deshalb sind sowohl Mietwagenkosten als auch Sachverständigenkosten schwache Glieder der Restitutionskette. Die Erstattung der Kosten erfolgt nach § 249 Abs. 2 BGB. Es kommt auf den erforderlichen Geldbetrag an. Wenn die Preise sich nicht marktgerecht bilden, wenn sie nicht durch Angebot und Nachfrage geprägt sind, dann fällt es den Gerichten leichter, korrigierend (= kürzend) einzugreifen und dann steigt das Risiko, dass als zu ersetzender erforderlicher Geldbetrag weniger zugesprochen wird als der Rechnungsbetrag.

Die Versicherungswirtschaft hat die Reparaturkosten zunächst bei der fiktiven Abrechnung angegriffen. Dann hat sie konkrete Rechnungen bei den schwachen Gliedern der Restitutionskette angegriffen.

Und jetzt ist die Zeit gekommen, da auch dort angegriffen wird, wo Angebot und Nachfrage die Preisbildung prägen. Jetzt ist die Zeit gekommen, da die konkreten Reparaturrechnungen angegriffen werden. In der vergangenen Zeit häufen sich die Fälle, in denen die in der Reparaturrechnung ausgewiesenen Verbringungskosten nicht bzw. nicht vollständig ersetzt werden. Das ist sicher nicht das Ende der Fahnenstange. Künftig werden auch andere Rechnungspositionen gekürzt werden. Und das Ganze ist sicher kein Zufall, sondern Ergebnis strategischen Vorgehens. Dazu passt, dass jetzt Aufsätze von Versicherungsanwälten veröffentlicht werden, die sich in Ansätzen gegen die volle Erstattung der Reparaturrechnung richten.[8]

[5] BGH – X ZR 80/05; BGH – VI ZR 67/06.
[6] BGH – VI ZR 225/13; BGH – VI ZR 357/13; BGH – VI ZR 475/14; BGH – VI ZR 50/15; BGH – VI ZR 76/16; BGH – VII ZR 95/16; BGH – VI ZR 61/17; BGH VI ZR 171/16.
[8] Vgl. Meyer-Näser NJW-Spezial 2018, 457: "Grenzen des Werkstattrisikos bei der Reparaturrechnung".

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