A. Einleitung
Das Schadensmanagement der Versicherungswirtschaft hat ein neues Ziel ausgemacht: die Reparaturrechnung. Jetzt wird auch bei konkreter Schadensabrechnung (Reparatur und Vorlage der Reparaturrechnung) gekürzt. – Das Ergebnis einer vor vielen Jahren angelegten Strategie?
B. Porsche-Urteil des BGH
Was war der Jubel groß, als der BGH 2003 das sog. Porsche-Urteil verkündete. Endlich war klar, dass bei fiktiver Abrechnung nicht die mittleren ortsüblichen Stundensätze maßgeblich sind, sondern die Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt. Der Porsche-Fahrer darf auch bei fiktiver Abrechnung Porsche-Stundensätze verlangen. Mit einer kleinen Einschränkung, die wir Geschädigten-Anwälte gerne überlesen haben:
Zitat
Zwar kann dem BG vom Ansatz her in der Auffassung beigetreten werden, dass der Geschädigte, der mühelos eine ohne Weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auf diese verweisen lassen muss.
Die Versicherungswirtschaft hat diesen Satz nicht überlesen. Unterstützt wurde sie dabei sicherlich von den hochspezialisierten Kanzleien, die regelmäßig für die Versicherungen tätig werden. Ihnen ist es gelungen, eine Niederlage nachträglich in einen Sieg umzukehren.
C. Fiktive Abrechnung
Sozusagen um diesen Satz herum hat die Versicherungswirtschaft in ganz Deutschland ein Netz von Partner- und Verweisungswerkstätten aufgebaut. Als es dann soweit war, landeten drei geeignete Fälle beim BGH. Seitdem wird bei fiktiver Abrechnung auf diese günstigen Werkstätten verwiesen. Jedes Gutachten wird überprüft – meist durch externe Kürzungsdienstleister. Dabei werden die Stundensätze der Verweisungswerkstätten eingesetzt und auch sonst einige Schadenspositionen standardmäßig gestrichen (UPE-Zuschläge, Verbringungskosten, Beilackieren, Polier- und Finisharbeiten etc.). Damit lassen sich Kürzungen bis 30 % und mehr darstellen. Hinzu kommt noch die "fehlende" Umsatzsteuer wegen § 249 Abs. 2 S. 2 BGB. Damit wird bei der fiktiven Abrechnung von Fahrzeugschäden oft nur 50 % dessen gezahlt, was bei einer konkreten Abrechnung (Reparatur mit Rechnung) gezahlt werden müsste. Bei der fiktiven Abrechnung scheint die Grenze des Einsparpotentials erreicht.
D. Konkrete Abrechnung
Bleiben noch Einsparungen bei konkreter Abrechnung.
Der erste Angriff der Versicherungswirtschaft bei konkreter Abrechnung richtete sich 2003 gegen die Mietwagenrechnungen. Dem folgte eine wahre Flut an Urteilen, in denen der BGH seine Mietwagenrechtsprechung konkretisierte. Der nächste Angriff richtete sich 2005 und 2006 gegen die Rechnungen der Kfz-Sachverständigen. Ab 2014 kam es dann zu einem Schub weiterer BGH-Urteile zu diesem Thema.
Angegriffen wurden die schwachen Glieder der Restitutionskette. Schwach nicht im Sinne von wirtschaftlich schwach, schlecht verdienend oder wenig wehrhaft, sondern schwach im juristischen Sinne. Sachverständige und Mietwagenfirmen (zumindest beim Unfallersatztarif) haben eines gemeinsam: Der von ihnen berechnete Preis richtet sich nicht nach Angebot und Nachfrage. Er wird nach anderen Maßstäben festgesetzt. Das hat der BGH bei den Mietwagenrechnungen erkannt und zur Grundlage seiner (die Kürzungen bestätigenden) Rechtsprechung gemacht. Er spricht von
Zitat
"(…) Fällen, in denen sich ein besonderer Tarif für Ersatzmietwagen nach Unfällen entwickelt hat, der nicht mehr maßgeblich von Angebot und Nachfrage bestimmt wird (…), wenn die Preise für Ersatzmietwagen durch weitgehend gleichförmiges Verhalten der Anbieter geprägt ist."
Vergleichbares gilt für die Sachverständigenrechnungen. Auch hier erfolgt die Preisbildung nicht nach Angebot und Nachfrage. In der Praxis bezahlt der Geschädigte als Auftraggeber die Sachverständigenrechnung nicht. Sie wird von der Versicherung übernommen. Auf die Frage: "Wieviel kostet das Gutachten?" antwortet der Sachverständige: "Das zahlt die Versicherung." Der Geschädigte hat deshalb keinen Grund, auf den Preis zu achten. Es kann ihm egal sein. Umgekehrt hat der Sachverständige keinen Grund, sein Gutachten günstiger als die Konkurrenz anzubieten, um mehr Kunden zu gewinnen. Wenn der Kunde nicht auf den Preis achten muss, wird er sich auch nicht durch einen günstigeren Preis locken lassen. Er hätte nichts davon. Deshalb richtet sich auch das Sachverständigenhonorar nicht nach Angebot und Nachfrage.
Und deshalb sind sowohl Mietwagenkosten als auch Sachverständigenkosten schwache Glieder der Restitutionskette. Die Erstattung der Kosten erfolgt nach § 249 Abs. 2 BGB. Es kommt auf den erforderlichen Geldbetrag an. Wenn die Preise sich nicht marktgerecht bilden, wenn sie nicht durch Angebot und Nachfrage geprägt sind, dann fällt es den Gerichten leichter, korrigierend (= kürzend) einzugreifen und dann steigt das Risiko, dass als zu ersetzender erforderlicher Geldbetrag weniger zugesprochen wird als der Rechnungsbetrag.
Die Versicherungswirtschaft hat di...