VVG § 126 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
Das Schadensabwicklungsunternehmen eines Rechtsschutzversicherers ist auch dann passiv prozessführungsbefugt gem. § 126 Abs. 2 S. 1 VVG, wenn der VN Deckungsschutz im Wege eines auf "Quasideckung" gerichteten Schadensersatzanspruchs begehrt.
BGH, Urt. v. 11.7.2018 – IV ZR 243/17
Sachverhalt
Der Kl. begehrt von der Bekl., seinem Rechtsschutzversicherer, Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung bei Abschluss einer Rechtsschutzversicherung. Bis 2005 unterhielt er bei einem anderen VR einen Grundstücksrechtsschutz einschließenden Vertrag, dessen Deckung er 1993 wegen einer Rissbildung in seinem Anwesen in Anspruch genommen hatte. 2005 wechselte er zur Bekl., und bemerkte nicht, dass sein neuer Vertrag Grundstücksrechtsschutz nicht einschloss. Die zugrundeliegenden AVB sehen eine Schadenregulierung durch ein Schadenabwicklungsunternehmen (A) vor.
2009 begehrte der Kl. Deckung wegen einer erneuten Rissbildung in seinem Anwesen, die er wiederum auf ein Verhalten eines Energieversorgers zurückführte. A lehnte daraufhin Deckung ab.
Die von dem Kl. am 29.12.2015 erhobene Klage richtete sich auf die Feststellung von Deckungsschutz gegen den Energieversorger, seine in der mündlichen Verhandlung vom 4.11.2016 gestellten Anträge (hilfsweise) auch auf die Verpflichtung zur Deckung sämtlicher Schäden aus der unterbliebenen Absicherung des Risikos Grundstücksrechtsschutz, ein in der Revision erstmals gestellter Antrag auf Anweisung der A, dem Kl. Grundstücksrechtsschutz zu gewähren.
2 Aus den Gründen:
"… II. 1. Der erstmals im Revisionsrechtszug gestellte Antrag auf Feststellung einer Verpflichtung der Bekl., das Schadenabwicklungsunternehmen anzuweisen, dem Kl. tarifgemäßen Deckungsschutz für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen das Energieunternehmen zu gewähren, ist (…) unzulässig."
a) Im Allgemeinen ist es nicht gestattet, im Revisionsrechtszug die Klage zu ändern (§ 559 Abs. 1 ZPO). Denn die unbeschränkte Zulassung der Klageänderung im Revisionsrechtszug würde mit der Besonderheit des Revisionsverfahrens nicht vereinbar sein, nach der nur dasjenige Parteivorbringen der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. (…) Unzulässig ist daher eine Änderung oder Erweiterung der Klage, etwa auch in Form der Erweiterung um einen neuen Hilfsantrag. (…)
b) In Ausnahme von dieser Regel erachtet der BGH jedoch die Beschränkung oder Modifikation des früheren Antrags als zulässig, soweit sich dies auf einen Sachverhalt stützt, der vom Tatrichter bereits gewürdigt worden ist (vgl. Senat BGHZ 198, 195, Rn 7). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
Der Antrag der Revision zielt nicht auf eine Klarstellung, Berichtigung oder Modifikation der Anträge ab, die Gegenstand des Berufungsverfahrens waren. Während diese darauf gerichtet waren, dem Kl. als Schadensersatz aus der unterbliebenen Absicherung des Risikos “Grundstücksrechtsschutz' bei Abschluss des Rechtsschutzversicherungsvertrages tarifgemäßen Deckungsschutz im Wege der sog. Quasideckung für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen das Energieunternehmen zu gewähren, geht der Antrag der Revision nunmehr dahin, festzustellen, die Bekl. sei verpflichtet, das Schadenabwicklungsunternehmen anzuweisen, dem Kl. für die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen das Energieunternehmen bedingungs- und tarifgemäßen Deckungsschutz zu gewähren, dabei zugrundezulegen, “Grundstücksrechtsschutz' sei bereits im Jahr 2005 wirksam in den Versicherungsvertrag einbezogen worden, und dem Kl. insb. nicht entgegenzuhalten, das Grundstücksrisiko sei nicht abgesichert und für den Schaden am Grundstück und Haus wegen Vorvertraglichkeit und Verjährung kein Deckungsanspruch gegeben. Umfang und Reichweite eines – mit Blick auf § 164 Abs. 4 S. 1 VAG aufsichtsrechtlich ohnedies unzulässigen (vgl. Präve, in: Prölss/Dreher, VAG, 13. Aufl., § 164 Rn 6) – Weisungsrechts für den konkreten Rechtsschutzfall waren jedoch bislang nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Der Antrag der Revision erweitert daher den Streitgegenstand auf Grundlage neuer Tatsachen, wie die Revisionserwiderung zu Recht rügt. (…)
2. Soweit die im Revisionsverfahren gestellten Anträge zulässig sind, bleibt das Rechtsmittel im Ergebnis ohne Erfolg.
a) Das BG hat zu Recht angenommen, der Kl. hätte zur Durchsetzung seines auf Deckungsschutz im Wege der sog. Quasideckung gerichteten Schadensersatzanspruchs aus § 6 Abs. 5 VVG bzw. § 311 Abs. 2 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB nicht die Bekl., sondern nach § 126 Abs. 2 S. 1 VVG deren Schadenabwicklungsunternehmen gerichtlich in Anspruch nehmen müssen.
aa) Die Einführung des § 126 VVG n.F./§ 158I VVG (i.d.F. bis 31.12.2007) beruht auf der gesetzgeberischen Aufhebung des strengen deutschen Spartentrennungsgebotes durch § 164 Abs. 1 S. 1 VAG n.F./§ 8a Abs. 1 S. 1 VAG (in der Fassung bis 31.12.2015) in Umsetzung der Richtlinie 87/344/EWG des Rates vom 22.6.1987 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltung...