AKB A 2.7.1. K 4.4.; BGB § 280 Abs. 1 § 286 Abs. 1 § 305c § 307 § 343 Abs. 1
Leitsatz
Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall der Überschreitung der angegebenen Laufleistung ist zwar nicht grds. unwirksam, ihre Verwirkung setzt jedoch voraus, dass der VN die zu erwartende Laufleistung bewusst unrichtig zu niedrig angegeben hat.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Berlin-Charlottenburg, Urt. v. 2.7.2018 – 217 C 30/18
Sachverhalt
Die Kl. verlangt aufgrund eines bei der Bekl. seit 1.1.2017 bestehenden Kaskoversicherungsvertrages Zahlung einer restlichen Entschädigung wegen eines Unwetterschadens. Bei Vertragsabschluss gab die Kl. einen km-Stand von 144.000 km und eine jährliche Laufleistung von 6.000 km an. In den AVB war geregelt:
"K.2 Änderungen von Merkmalen zur Beitragsberechnung. Welche Änderungen werden berücksichtigt?"
K.2.1 Ändert sich während der Laufzeit des Vertrags ein Merkmal zur Beitragsberechnung gem. Anhang 2 “Merkmale zur Beitragsberechnung' und Anhang 3 “Tarifgruppen', berechnen wir den Beitrag neu. Dies kann zu einer Beitragssenkung oder zu einer Beitragserhöhung führen.
Auswirkungen auf den Beitrag
K.2.3 Erhöht sich die im Versicherungsschein aufgeführte Jahreslaufleistung, gilt abweichend von K.2.2 der neue Beitrag rückwirkend ab Beginn des laufenden Versicherungsjahres.
K.4 Ihre Mitteilungspflichten zu den Merkmalen der Beitragsberechnung: Anzeigen von Änderungen
K.4.1 Die Änderung eines im Versicherungsschein unter den Überschriften Zusatzangaben oder Altersangaben aufgeführten Merkmals zur Beitragsberechnung müssen Sie uns unverzüglich anzeigen.
Folgen von unzutreffenden Angaben
K.4.3 Haben Sie unzutreffende Angaben zu Merkmalen zur Beitragsberechnung gemacht oder Änderungen nicht angezeigt und ist deshalb ein zu niedriger Beitrag berechnet worden, gilt rückwirkend ab Beginn des laufenden Versicherungsjahres der Beitrag, der den tatsächlichen Merkmalen der Beitragsberechnung entspricht.
K4.4 Haben Sie schuldhaft unzutreffende Angaben gemacht oder Änderungen schuldhaft nicht angezeigt und ist deshalb ein zu niedriger Beitrag berechnet worden, ist zusätzlich zur Beitragserhöhung eine Vertragsstrafe i.H.v. 500 EUR zu zahlen.“
Zum 5.10.2017, dem Tag des Unwetterschadens, betrug die Laufleistung 157.239 km. Die Bekl. berief sich auf die Verwirkung der Vertragsstrafe und zog den Betrag von der Entschädigungsleistung ab.
2 Aus den Gründen:
"… Die Kl. hat als VN gegen die Bekl. als VR einen Anspruch auf Zahlung von 500 EUR aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag. (…)"
Unstreitig ist es am 5.10.2017 zu dem Versicherungsfall gekommen und hat die Bekl. nur den um 500 EUR (Vertragsstrafe) geminderten Betrag (was rechtlich als Aufrechnung mit dem vermeintlichen Vertragsstrafenanspruch zu bewerten ist, § 389 BGB) gezahlt. Hierzu war die Bekl. indes nicht berechtigt. Ein aufrechenbarer Anspruch aus dem Versicherungsvertrag i.V.m. K4.4 ihrer AKB und den §§ 339 ff. BGB i.H.v. 500 EUR besteht bzw. bestand nicht.
Zwar ist die vertragliche Vertragsstrafenregelung in K.4.4 der AKB nicht von vornherein unwirksam. Sie ist nicht unter Verstoß gegen § 307 BGB unangemessen. Insbesondere liegt keine unangemessene Benachteiligung des VN aufgrund von Unvereinbarkeit mit den wesentlichen Grundgedanken des § 26 VVG vor. Die hier in Rede stehende Regelung berührt nicht die Leistungspflicht der Versicherung, die gem. § 26 VVG im Verhältnis zur Schuld des VN zu bemessen ist, sondern begründet eine von der Leistungspflicht unabhängige Verpflichtung des VN zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Dass eine Geltendmachung dieser Vertragsstrafe im Wege der Aufrechnung gegenüber einem unberührt entstandenen Leistungsanspruch unter Umständen – abhängig von der Höhe des Schadens – sogar zu einer Leistungsfreiheit der Versicherung führen kann, führt zu keinem anderen Ergebnis. Prämienanpassungsklauseln bei unterlassenen Angaben bezüglich der tatsächlichen Merkmale zur Beitragsberechnung sind nach der ganz überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur im Grundsatz bei schuldhaften Verstößen zulässig. Dasselbe gilt für Vertragsstrafen, jedenfalls bei vorsätzlichen Verstößen gegen die Anzeigepflicht. (…) Bei vorsätzlichen Verstößen des VN gegen seine Anzeigepflicht ist der VR berechtigt, zusätzlich zur Beitragsanpassung nach beispielsweise der streitgegenständlichen Regelung der AKB der Bekl. eine Vertragsstrafe geltend zu machen, deren Höhe zwischen den VR variiert. Es handelt sich in solchen Fällen um eine Vertragsstrafenregelung i.S.d. §§ 339 ff. BGB und nicht um eine sog. Schadenspauschalierung, da die Vereinbarung in erster Linie die Einhaltung der vereinbarten Merkmale zur Beitragsberechnung sichern und auf den VN einen möglichst wirkungsvollen Druck ausüben soll, diese richtig anzugeben und die Vereinbarungen auch während der Laufzeit zu beachten. Eine solche Vertragsstrafe ist grds. zulässig (OLG Stuttgart VersR 2013, 1528). Ein zusätzlicher Rückgriff auf die gesetzlichen Institute der vorvertraglichen Anzeigepflicht (§§ 19 ff. VVG n.F.) un...