Im Sommer dieses Jahres – mit Wirkung zum 15.6.2019 – hat der Gesetzgeber den Weg frei für den Elektro-Tretroller, den sogenannten E-Scooter, gemacht. Viele haben sehnlichst auf diesen Tag gewartet. Für viele ist der E-Scooter sicherlich zu einem Sommermärchen 2019 geworden. Nun ist der Sommer aber vorbei und es zeigen sich doch recht unterschiedliche Erfahrungen.
In den deutschen Großstädten zeigte sich rasch ein neues Bild. Plötzlich war der E-Scooter aus dem Straßenbild nicht mehr weg zu denken. Man diskutiert seitdem nicht nur über ein erhöhtes Unfallrisiko, sondern auch darüber, wie man dem schnell aufkeimenden E-Scooter-Verleih Herr werden könnte. So (wenn sie nicht durchs Straßenbild surren) stehen die E-Scooter kreuz und quer überall herum. Vielerorts – abseits der Großstädte – zeigt sich jedoch ein ganz anderes Bild. Man kann viel über E-Scooter lesen, im Straßenverkehr selbst sehen kann man diese aber zumeist nicht. Wohnt man beispielsweise in Hamburg, ist man schnell von den herumstehenden E-Scootern genervt. Wohnt man beispielsweise in Oldenburg, freut man sich (noch), wenn man überhaupt einmal einen E-Scooter zu Gesicht bekommt. Abzuwarten bleibt nun, ob sich der E-Scooter auch über den Herbst und den Winter in das nächste Frühjahr und den Sommer retten kann und dies dann auch flächendeckend. Auch die Entwicklung der Unfallstatistik bleibt abzuwarten.
Zuweilen wird der E-Scooter auch als Beitrag zur Verkehrswende gepriesen. Hier dürfte man aber seine Zweifel haben. Im Moment dürfte der E-Scooter wohl nur ein zusätzliches Freizeitgefährt in den Sommermonaten sein, nicht aber ernsthaft über das gesamte Jahr den Arbeitsweg bewältigen können, auch nicht die letzten Meter. Schließlich will wohl kaum einer auf den letzten Metern zum Arbeitsplatz nass werden, nur um sein Quäntchen zum Umweltschutz beizutragen. Zudem erfordert die Nutzung eines Regenschirmes schon einige Erfahrung bzw. akrobatischen Einsatz.
Abseits von der Unfallstatistik wird die Anwaltschaft der E-Scooter auch auf strafrechtlichem Gebiet beschäftigen und dies wohl nicht nur in einem geringen Umfang. Kaum ein juristischer Laie wird ernsthaft darüber nachdenken, dass die Promillegrenzen, die bei einem E-Scooter zu berücksichtigen sind, nicht die des Fahrrades sind. Die rechtliche Wirklichkeit ist jedoch eine andere. Die Promillegrenzen eines Kfz sind zu berücksichtigen. Bereits bei einem Blutalkoholwert von 0,3 ‰ mit Ausfallerscheinungen drohen strafrechtliche Konsequenzen. Die Annahme von Ausfallerscheinungen bei Fahrt mit einem E-Scooter dürfte hier auch schnell von der Hand gehen. Versucht man sich bei Regen mit einem Schirm zu behelfen, wird man bei allem fahrerischen Können kaum eine unauffällige Fahrt erwarten dürfen. Ist man dann nicht auf dem Weg zum Büro, sondern auf dem Weg aus der Kneipe nach Hause, ist der strafrechtliche Ärger schon vorprogrammiert. Auch das galante Slalomfahren durch die Innenstadt kann bei über 0,3 ‰ schnell als Ausfallerscheinung ausgelegt werden.
Sicherlich wird der E-Scooter dauerhaft zum Straßenbild gehören, wohl aber im Wesentlichen in den Sommermonaten und schwerpunktmäßig in den Großstädten. Es wird allerdings weitere Regelungen erfordern um den Unfallgefahren (Helmpflicht?) Rechnung zu tragen und auch dem wilden Abstellen (feste Mietstation, Bußgelder gegen den Betreiber) Einhalt zu gebieten. Zur Bewältigung langer Strecken bei Wind und Wetter stellt der E-Scooter aber keine ernsthafte Alternative dar und dementsprechend dürfte man auch seine Zweifel daran haben, ob man nun etwas für die Energiewende und die Umwelt leistet. Es zeigt sich wieder einmal, dass eine technische Neuerung zwar in der Theorie viele Vorteile haben kann, es entscheidend aber auf die Annahme und Nutzung in der Praxis ankommt, und hier treffen häufig Welten aufeinander. Man könnte an dieser Stelle an das automatisierte Fahren denken, um das es doch sehr ruhig geworden ist. Vielleicht – abgesehen vom rechtlichen Rahmen – auch deswegen, weil es immer noch Autofahrer gibt, die gern Auto fahren.
Autor: Stefan Herbers
RA Stefan Herbers, FA für Verkehrsrecht und Arbeitsrecht, Oldenburg
zfs 10/2019, S. 541