"… [12] bb) Im Prozessrecht findet sich keine Grundlage, Parteivortrag nur deshalb unberücksichtigt zu lassen, weil er im Widerspruch zu vorangegangenem, ausdrücklich aufgegebenem Vortrag steht. Im Gegenteil ist eine Partei nicht daran gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insb. zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen; eine Vortragsänderung kann nur bei der Beweiswürdigung Bedeutung erlangen (vgl. nur BGH vom 5.11.2015 – I ZR 50/14 – GRUR 2016, 705 Rn 41, m.w.N.)."

[13] Soweit die Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung die Auffassung vertritt, die Kl. hätten ihren Vortrag zur Beratung der Kl. über die Genussscheine gar nicht geändert, weil sie im Schriftsatz vor der mündlichen Verhandlung noch auf die Beratung der Kl. abgestellt hätten, vermag der erkennende Senat dem angesichts der klaren Aussage des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung ("auf eigene Faust") nicht zu folgen.

[14] b) Weiter hat das BG die Kl. in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs auch dadurch verletzt, dass es den dargestellten Vortrag im angefochtenen Beschluss nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO zurückgewiesen hat. Diese Zurückweisung findet in § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO schon deshalb keine Grundlage, weil die Vortragsänderung – wie gezeigt – bereits in erster Instanz erfolgte. Ob die zweitinstanzlich erfolgte Ergänzung des geänderten Vortrags dahin gehend, dass der Kauf der Genussscheine "nach Abschluss mehrerer Vermögensverwaltungsverträge" erfolgte, vom BG nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO zurückgewiesen werden durfte, kann dahinstehen. Denn dieser Umstand ist auf der Grundlage des klägerischen Vortrags zur Kausalität unerheblich.

[15] c) Eine weitere Gehörsverletzung liegt schließlich der Annahme des BG zugrunde, an einer kausalen Verknüpfung zwischen dem Erwerbsvorgang und dem Prospekt fehle es auch dann, wenn die Erwerbsentscheidung durch einen Mitarbeiter der A. AG auf der Grundlage der Empfehlungen des Anlageausschusses der A. AG getroffen worden sei. Das BG lässt hier – was die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend rügt – völlig außer Acht, dass die Kl. unter Beweisantritt behauptet haben, der Prospekt sei Grundlage der Vertriebsentscheidung der A. AG gewesen. Zudem haben die Kl. im Rahmen ihrer Berufungsbegründung vorgetragen, der Prospekt sei auch vom Anlageausschuss der A. AG geprüft und dazu benutzt worden, die Anlageempfehlung zu erstellen.

[16] d) Die Gehörsverletzungen sind entscheidungserheblich. Zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 283b Abs. 1 Nr. 3 StGB, 331 Nr. 1 HGB, 283, 284a oder 264 StGB hat das BG bislang – mit Ausnahme der rechtsfehlerhaften Ausführungen zur Kausalität – keine Feststellungen getroffen. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass solche Schadensersatzansprüche im Ergebnis bestehen.“

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