Die pandemiebedingten Lockdowns haben zur zwangsweisen Schließung von Ladengeschäften und Gaststättenbetrieben geführt. Die Verluste konnten durch die staatlichen Hilfsmaßnahmen allenfalls abgemildert werden und einen teilweisen Ausgleich der hierdurch erlittenen Einbußen bewirken, zumal die Auszahlungen oftmals recht schleppend erfolgt sind. Viele Gewerbetreibende haben daher auf einen Schadensausgleich im Rahmen von zuvor abgeschlossenen sog. Betriebsschließungsversicherungen gehofft. Diese Hoffnung wurde aber weitgehend enttäuscht, weil die Gerichte solche Ansprüche mehrheitlich verneint haben.
1. Begriff der Betriebsschließungsversicherung
Hierbei handelt es sich um eine Versicherungsart, welche die Schließung des Betriebs durch die zuständige Behörde aufgrund von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern abgedeckt. Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des InfektionsschutzG (IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den Betrieb schließt (§ 1 Nr. 1 Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung), nachfolgend Muster-AVB ). Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die in §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger (§ 1 Nr. 2 Muster-AVB).
2. Versicherungsschutz bezüglich COVID-19/SARS-CoV-2
Dann müsste es sich bei COVID-19 und SARS-CoV-2 um eine meldepflichtige Krankheit oder einen meldepflichtigen Krankheitserreger gem. §§ 6, 7 IfSG im Sinne von § 1 Nr. 2. Muster-AVB handeln. Die Meldepflichten nach diesen Vorschriften sind durch § 1 Abs. 1, 3 CoronaVMeldeV (erlassen auf der Grundlage von § 15 Abs. 1 und 2 IfSG) seit dem 1.2.2020 auf den Coronavirus ("2019-nCoV") ausgedehnt worden. Durch Art. 1 des Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.5.2020 sind mit Wirkung zum 23.5.2020 sodann "Coronavirus-Krankheit COVID-19" als § 6 Abs. 1 Nr. 1t in § 6 IfSG sowie SARS-CoV und SARS-CoV-2 als § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 44a IfSG ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen worden. Dies scheint auf den ersten Blick darauf hinzudeuten, dass eine Betriebsschließungsversicherung Schäden wegen coronabedingt erzwungener Betriebsschließungen umfasst. Zu beachten ist aber, dass die hier in Rede stehenden Versicherungsverträge vor dem erstmaligen Auftreten der neuartigen Viren und der gesetzlichen Ausdehnung der Meldepflicht abgeschlossen worden sind. Zudem verwenden die Versicherer in der Praxis erheblich von den Muster-AVB abweichende Klauseln. Die Auslegung solcher Klauseln hat nach dem Grundsatz zu erfolgen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer diese bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse verstehen muss. Hiernach muss nach den verschiedenen Arten von Klauseln differenziert werden :
a) Statische oder dynamische Verweisung auf das IfSG
Bei einer statischen Verweisung in den AVB auf das IfSG in einer bestimmten Fassung sind nur die dort genannten Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst. Erfolgt in den AVB des Versicherers eine dynamische Verweisung auf das IfSG, besteht für die relevanten Fälle hingegen ein Versicherungsschutz.
b) Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger
Weisen die AVB des Versicherers ausdrücklich eine enumerative Aufzählung der vom Versicherungsschutz umfassten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger ohne Bezugnahme auf das IfSG auf, besteht bezüglich COVID-19 kein Versicherungsschutz. Eine Auslegung dahingehend, dass auch künftige, erst später in das Infektionsschutzgesetz aufgenommene Krankheiten oder Krankheitserreger dem Versicherungsschutz unterfallen, ist nicht möglich.
c) Mischform: Katalog und Verweis auf das IfSG
Problematisch ist das Verständnis von Klauseln, die einerseits auf das ...