StVG § 2a Abs. 3; VwG SH § 89 Abs. 7 S. 2
Leitsatz
1. § 2a Abs. 3 StVG macht die Entziehung der Fahrerlaubnis nach Versäumung der Frist zur Teilnahme an einem Aufbauseminar nicht davon abhängig, dass dem Fahranfänger wegen der Fristversäumung ein Verschulden zur Last fällt.
2. Die Entziehung kann allerdings unverhältnismäßig sein, wenn der Fahranfänger rechtzeitig eine Fristverlängerung beantragt, gleichzeitig substantiiert die Hinderungsgründe darlegt sowie erkennbar den Willen äußert, das Aufbauseminar bei nächster Gelegenheit zu absolvieren. Im Falle der nachträglichen Verlängerung der Frist gemäß § 89 Abs. 7 S. 2 LVwG hat er zudem darzutun, weshalb er an einer vorherigen Mitteilung der Hinderungsgründe innerhalb der Frist gehindert war.
3. Die vorstehenden Obliegenheiten entfallen nicht dadurch, dass die Schließung der Fahrschulen wegen des Lockdowns während der Corona-Pandemie für alle Beteiligten erkennbar war.
OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 31.3.2021 – 5 MB 39/20
Sachverhalt
… Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutz über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers. Das VG SH hat den Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entziehung des Führerscheins anzuordnen, abgelehnt, weil der Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig anzusehen sei. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit in Frage gestellt. Es sei zweifelhaft, ob sich der Antragsteller rechtzeitig darum bemüht habe, eine Fristverlängerung zu erreichen. Außerdem habe er sich zu spät darum bemüht, das ausgefallene Seminar nachzuholen. Hiergegen richtet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Er ist der Ansicht, die Entziehung der Fahrerlaubnis sei unverhältnismäßig.
2 Aus den Gründen:
"… II. … Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Abs. 3 StVG ist nicht unverhältnismäßig. Der Verhältnismäßigkeit steht nicht entgegen, dass der Antragsteller an der Einhaltung der Frist ohne eigenes Verschulden aufgrund der seinerzeit maßgeblichen SARS-CoV-2-Bekämpfungsverordnung, die Zusammenkünfte in privaten Bildungseinrichtungen vom 18.3.2020 bis zum 17.5.2020 untersagte, gehindert war."
§ 2a Abs. 3 StVG macht die Rechtsfolge der Führerscheinentziehung nicht von einem Verschulden des Nachschulungspflichtigen an der Versäumung der dafür gesetzten Frist abhängig (OVG Saarlouis, Beschl. v. 21.9.1989 – 1 W 144/89, beckonline.de; vgl. auch Trésoret in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 2a StVG (Stand: 6.1.2020), Rn 199).
Bei einer unverschuldeten Säumnis kann eine Entziehung der Fahlerlaubnis gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen, wenn ein Fahranfänger rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung der Frist unter gleichzeitiger substantiierter Darlegung der Hinderungsgründe sowie der Äußerung des erkennbaren Willens, das Aufbauseminar bei nächster Gelegenheit zu absolvieren, stellt. Im Falle der nachträglichen Verlängerung der Frist gemäß § 89 Abs. 7 S. 2 LVwG hat der Fahranfänger zudem darzutun, weshalb er an einer vorherigen Mitteilung der Hinderungsgründe innerhalb der Frist gehindert war (vgl. Trésoret in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 2a StVG (Stand: 6.1.2020), Rn 201 m.w.N.). Diese Voraussetzungen hat der Antragsteller nicht erfüllt.
Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, eine Verlängerung der Frist vor Fristablauf oder unmittelbar nach dem Wegfall von Hinderungsgründen beantragt und dabei den erkennbaren Willen geäußert zu haben, das Aufbauseminar bei nächster Gelegenheit zu absolvieren. …“
zfs 10/2021, S. 598 - 599